Viele sehen in ihm nur den Gatten von Julia Roberts. Dabei glänzt der lange Texaner zu Hause längst als mutiger Neuerer des Country-Klangs
Seit dem 28.6.93 hat Lyle Lovett mit seiner Musik einen noch schwereren Stand als zuvor. Der Grund: An diesem Tag ehelichte der stolze 190 Zentimeter große Country-Rocker aus Texas Miss ‚Pretty Woman‘ – Julia Roberts. Und so fragen die meisten Journalisten versteckt oder auch ganz unverblümt – in erster Linie nach der Ehe mit dem Hollywood-Star. Selbst dann nocn, wenn Lovett ein so grandioses Album wie ‚I Love Everybody‘ präsentiert. „Klar, das nervt“, und seine ohnehin schmalen Lippen werden zu dünnen Strichen, als er fortfährt: „Vor allem, wenn manche Schmierfinken ihre Lügengeschichten abnudeln. Aber“, ein knochiger Zeigefinger schnellt hoch, „ich schere mich einen Dreck darum, was die Öffentlichkeit über unsere Beziehung denkt oder rätselt. Tatsache ist, daß wir beide glücklich sind – und damit Punkt und Basta.“ Klare und ungewöhnlich resolute Worte für den couragierten Cowboy mit der markanten Frisur. Lovett, der lange vor dem Country-Boom Anfang der 90er Jahre das verstaubte Genre mit frischem Rock und Jazz-Tupfern belebte, zeigt sich mit seinem vierten Album auf dem Zenit seiner Laufbahn. Insgesamt 18 klingende Kleinode hat er darauf versammelt. Kleine Geschichten über Liebe, Leben, Tod, über – Gott und die Welt. Mal zynisch, mal melancholisch erzählt, aber immer punktgenau beobachtet. In seinem Sarkasmus erinnert Lovett an Randy Newman oder Loudon Wainwright III, in seiner Wehmütigkeit an James Taylor oder den großen Folk-Barden Woody Guthrie. „Danke für diesen Vergleich. Ich betrachte ihn als uneingeschränktes Kompliment“, freut Lyle sich. „Denn genau diese vier Herren sind neben Garth Brooks ganz großen Vorbilder.“ Doch Lovett ist nicht nur stolz aufseHe neues Album, sondern auch auf seinen dritten Film, den er gehabt – mit seinem väterlichen Freund und Mentor Robert Altmann gedreht hat. ‚Pret-A-Porter‘ soll noch in diesem Jahr in die Kinos kommen soll. „Ich spiele darin einen Texaner“, erklärt der 36jährige Lovett, und der leise Anflug eines Grinsens schleicht sich in sein knautschiges Gesicht, „der mit Cowboystiefeln ein Vermögen gemacht hat und nun nur noch Models flachlegen möchte.“ Mit diesem Typ, so Lyle, habe er natürlich nur die Vorliebe für Cowboystiefel gemein. Was denn wohl auch sonst?
