Magenbitter
Die Kritik liebt den Kanadier Ron Sexsmith, zu seinem Kummer hat ihn das Publikum noch nicht entdeckt.
Ron Sexsmith macht ein bekümmertes Gesicht. Er kann nicht anders, es ist eben sein Gesicht. Trotzdem passt es perfekt zum inzwischen chronischen Zustand seines Gemütes. Denn seit er Platten macht, seit 1995, wird der 38-jährige Kanadier von der Kritik umarmt und vom großen Publikum zurückgestoßen. „In kleinen Clubs spielten Leute wie David Gray und Ryan Adams in meinem Vorprogramm“, erzählt er, „und plötzlich macht es BÄNG, und sie füllen Stadien!“ BÄG hat’s bei Sexsmith noch nicht gemacht, obwohl die Größen des Musikgeschäfts längst seine Songs covern. Als Rod Stewart sein „Secret Heart“ aufgenommen hatte, war er hin- und hergerissen: „Zuerst hatte ich Angst, was er daraus macht. Aber es war ganz anständig. Ab es dann kein Hit wurde, war ich enttäuscht.“ Dennoch reichten die Tantiemen für Sexsmith, um die Rechte an seinen frühen Songs zurückzukaufen – und sich frisch an die Arbeit zu „Cobblestone Runaway“ zu machen. „Der Titel geht auf eine harte Landung zurück, die ich mal in Heathrow hatte“, sagt Sexsmith. Es ist das erste Album seit langer Zeit, bei dem nicht Produzenten-Prominenz wie Mitchell Froom oder Steve Earle Hand anlegt, sondern der Schwede Terefe – wie sich auch die Musiker auf „Cobblestone Runaway“ komplett aus Skandinavien rekrutieren: „Ich mag nicht an Knöpfchen drehen. Bands wie Radiohead können Jahre im Studio verbringen, bis ihre Platten zu Skulpturen geworden sind. Mir liegt das nicht. „Auf Schützenhilfe berühmter Fans ist Ron nicht angewiesen. Chris Martin von Coldplay etwa, der auf „Gold In Them Hills“ die Vocals beisteuerte: „Die Plattenfirma hat zunächst meine Stimme durch seine ersetzt. Ich wollte das nicht, und so haben wir Martins Version als Remix auf die CD gepackt.“ Ob’s was hilft? Kaum ist die Frage gestellt, entfährt dem Schreiber dieser Zeilen ein lautes, jämmerliches Magengrummeln – peinlich, peinlich. Augenblicklich aber knurrt des Künstlers Magen zurück, in der gleichen Tonlage: „Ich habe das schon den ganzen Tag“, sagt Sexsmith, „wir sollten ein Duett aufnehmen.“ Steht ihm gut, wenn er mal ein fröhlicheres Gesicht macht.
www.ronsexsmith.com