Man sieht…


Dass Maximo Park schlauer sind als die meisten ihrer Kollegen, war schnell zu merken. Allmählich wird klar, woran das liegt: So sehr die Band mit ihrer Musik dazu in der Lage ist, die Herzen auf hohe Taktung zu bringen, so genau weiß sie doch, dass der entscheidende Unterschied im Detail liegt.

…doch heute überall und permanent alles. Gerade deshalb sind es eher Kleinigkeiten, die mich heiß machen. Deshalb singe ich in ,Tanned‘ ja auch: ,Each layer removed revealed a paler shade of skin.‘ Ich finde, wenig zu sehen, stimuliert viel mehr, als wenn alles gezeigt wird. “ Paul Smith spricht über Sex. Und er spricht über Details. Doch vor allem die Art, wie er dies tut, ist besonders. Zu behaupten, Paul Smith sei ein enthusiastischer Mensch, wäre in etwa so, als behaupte man, Antony Hegarty habe eine feminine Seite. Es ist dabei gleich, ob der Maximo-Park-Sänger auf der Bühne steht oder im Gespräch seine Gedanken mitteilt – die Gleichgültigkeit hat Freigang, wenn der 30-jährige Songschreiber den Mund aufmacht. Seine Band Maximo Park befindet sich in diesen frühen Märztagen in Deutschland, um auf einer kurzen Clubtour erstmals die Songs ihres neuen, dritten Albums vorzustellen. Es wird die vorerst letzte Gelegenheit sein, die Band in vergleichsweise kleinem Rahmen zu sehen, und so war der Auftritt im Kölner Gebäude 9 denn auch rasch ausverkauft. Am Tag nach dem Konzert sitzt Smith gemeinsam mit Keyboarder Lukas Wooler in einem unbewohnt wirkenden Kölner Hotelzimmer. Er schiebt ein Lesezeichen in seine soeben erst aufgenommene Lektüre – „Cleaver“, den vorletzten Roman des italophilen englischen Schriftstellers Tim Parks (deutscher Titel: „Stille“) – und sieht ein bisschen aus wie der freundliche jüngere Bruder seines gestrigen Bühnen-Ichs. Tatsächlich hat Smith, wenn er nicht den grimassierenden Hochdruckperformer gibt, etwas sehr Jungenhaftes: Die kleine Narbe am Mund könnte er sich zugezogen haben, als er aus dem Baumhaus gefallen ist. Mit seinem braunen Beanie und den Schlabberklamotten erinnert er an einen eben erst der Pubertät von der Schippe gesprungenen Schuhverkäufer im HipHop-Klamottenladen. Das Gespräch kommt auf eines seiner Lieblingsthemen: Kommunikation und ihre Hemmnisse. Smith schüttelt wiederholt den Kopf, während er erzählt: „Gestern hatte ich nach der Show eine sehr unerfreuliche Begegnung. Ich war gerade von der Bühne gestürmt und stand, weil der Club so klein war, direkt draußen auf dem Vorplatz und schnappte nach Luft. Ich hatte gerade für 450 Leute gespielt und, wie man so schön sagt, alles gegeben. Da kam ein Typ zu mir, und alles, was er mir zu sagen hatte, war: ,Warum habt ihr, Acrobat‘ nicht gespielt?‘ Ich sagte: ,Wir haben es doch auf der letzten Tour gespielt.‘ Darauf er: ,Aber nicht in Bochum.“‚ Smith lacht sich fast kaputt über die Kleinkariertheit seines Gesprächspartners. „Mir ist vollkommen schleierhaft, wie man drauf sein muss, um so etwas zu jemandem zu sagen, der sich gerade alles herausgerissen hat. Es geht doch nicht darum, ob dein Lieblingssong gespielt wird. Ich habe absolut nichts dagegen, wenn Fans mich ansprechen. Aber ich fragte den Typ nur: ,lst das alles, was du mir zu sagen hast?‘ Aber so ist das wohl: Man kann nicht in den Kopf einer anderen Person hineinsehen. Diesen Typen hat nun einmal diese Kleinigkeit, dass wir den Song nicht gespielt haben, total umgetrieben. Mich macht das verrückt: Die Menschen sind einander so ähnlich, und es reicht doch eine Winzigkeit, um völlig aneinander vorbeizureden.“

Selten hat man das Publikum des Gebäude 9 derart enthemmt erlebt wie am Abend vorher: Die Leiber fliegen durchs Rund, es wird gedrängelt und geschubst, das Bier schwappt aus vollen Bechern. Kein Wunder bei dem, was auf der Bühne passiert: Paul Smith, im karierten Jackett und mit Melone, seine rote zerfledderte Kladde unter den Arm geklemmt, springt herum, als hätten sich Didi Hallervorden und Adriano Celentano zum gemeinsamen Ausrasten verabredet – in einer dritten Person. Mit verzerrtem Gesicht und Augen groß wie Tischtennisbälle trägt Smith alte und neue Songs vor. Keyboarder Lukas Wooler im Pinguin-artigen Outfit gibt sich am linken Bühnenrand größte Mühe, mitzuhalten, und der Rest der Band liefert aus dem Stand ihr außerordentlich präzises Backing. Max’imo Park eröffnen beherzt mit der neuen Single „The Kids Are Sick Again“. Die frischen Songs sitzen noch nicht perfekt, dafür knüppeln die alten mit einer Präzision, wie sie live von kaum einer Rockgruppe ihres Alters erreicht wird. Max’imo Park waren schon immer, vom ersten zappeligen Song an, die Band des kleinen, aber feinen Unterschieds. Und sie machen einen Unterschied: Vieles an dieser Band muss selbst dem an fortgeschrittener Indie-Verdrossenheit erkrankten Hörer ans Herz gehen, weil man sichder Akribie, der Mühe, der Genauigkeit, der Detailfreudigkeit kaum verwehren kann, die Maximo Park in ihre Musik fließen lassen und die sie von den meisten Vertretern des zeitgenössischen Neo-Postpunk-Gitarrenrock abhebt. Wie wichtig gerade Paul Smith die kleinen Details sind, merkt man nicht zuletzt daran, dass er ständig seine eigenen Texte rezitiert. Er tut dies stets mit einem verlegenen Lächeln — fast als wollte er sagen: „Ich weiß, es ist lächerlich, wie ernst ich all das nehme.“ Aber auch mit dieser Ernsthaftigkeit macht er den entscheidenden Unterschied. Und gerade beim neuen Album QUICKEN THE HEART, das an der Oberfläche wenig diskussionsbefeuernde Überraschungen bereithalten mag, lohnt es sich, auf die Feinheiten und Kleinigkeiten zu achten. Es ist wie in einem George-Lucas-Film: Dieses Raumschiff, das dort, am rechten Bildrand, vorbeifliegt, hat Unsummen gekostet und tausende Arbeitsstunden verschlungen, aber ein Blinzeln reicht, und man hat es verpasst. Ihr hättet das neue Album im Grunde auch „More Earthly Pleasures“ nennen können, oder?

Paul Smith: (lacht verlegen) Ja, stimmt. Es scheint, als gehe es euch nicht um eine Neuerfindung eurer selbst, sondern um den perfekten Schliff, um Verfeinerung. Ihr werdet beispielsweise von Platte zu Platte immer düsterer. Paul: Das wollte ich gerade sagen. Aber auch wenn das jetzt banal klingt: So ist das Leben. Je älter man wird, desto mehr realisiert man: Die Dinge sind, wie sie sind, es ändert sich nur wenig. Die Eröffnungszeile des letzten Albums war: „You’ve been icith me a year to the day Threehundred-and-sixty-five days watching me decay.“ Das ist komisch, (lacht) Saukomisch! Denn es bedeutet, dass wir alle gleich sind. Vom Tag unserer Geburt an… … sterben wir. Paul: (lächelt) Ja! Wenn man

das einmal akzeptiert, wird alles einfacher. Viele unserer Songs haben diese kleine Erkenntnis in sich. Die Songs sind nicht Ignorant oder blind gegenüber derRealität, egal, wie gut man zu ihnen tanzen kann. Die erste Platte war noch voller Angst und Paranoia: Du hast das gemacht, ich hab das gemacht, warum komme ich nicht weg von hier? So in der Art.

Auf der zweiten haben wir uns gefragt: Was hat all das mit dem Rest der Welt zu tun? Wie in „Karaoke Plays“. Jemand stirbt, und die anderen singen Karaoke. Es geht eine Menge vor sich auf der Welt, und auf irgendeine Art ist jeder von uns mit all diesen Dingen verbunden. Und hier geht die neue Platte für mich noch einen entscheidenden Schritt weiter: Sie entwickelt diese Verbindungen deutlich feiner. Die Metaphern für diese Verstrickungen und Verbindungen sind präziser, die Bilder sind klarer, glaube ich.

Ein Song kann sich dabei so schnell verändern (schnippt mit dem Finger). „Roller Disco Dreams“ zum Beispiel fängt als Geschichte an, und dann, mit einem Mal, dringt das Stück tief in unsere ganz ursprünglichen Gefühle ein: „I just ivanna ktss you not gonna miss you.“ Es ist kein allzu romantischer Song, wenn man an Mills & Boon glaubt (britischer Kitschromanverlag -Anm. d. A). Aber er romantisiert Lust, und Lust treibt uns an. Unser Körper treibt uns zu den verrücktesten Dingen. Es geht überhaupt viel um Lust und Verlangen auf dieser Platte.

Weil beide das Gegenteil von Tod bedeuten.

Lukas Wooler: Genau. Und das war schon immer unser Thema, aber diesmal ist alles körperlicher. So etwas Eindeutiges wie „Let’s Get Chnical“ haben wir nie geschrieben. Paul: (zitiert) „I’d like to map your body out / Inch by inch, north to south.“ Manchen wird die Schlüpfrigkeit des Textes vielleicht stören. Aber wenn man hier auf die Details achtet, wird man diese Zeile hören:

„Theiranklesjust to mean adventure I With you they still do.“ Sich von icmandes Fußgelenken anmachen zu lassen, ist doch in einer Welt, in der alles entblößt ist, ein hübsches Statement. Das gibt dem Ganzen doch hoffentlich auch etwas Liebenswertes. Zugleich deutet „with you they still do“ an, dass auch in einer schon länger währenden Beziehung etwas Besonderes und Aufregendes dauerhaft am Leben gehalten werden kann.

Man habe diesmal anders gearbeitet als sonst, erzählt Lukas Wooler, ein verbindlich wirkender Mann mit ernsten, warmen Augen und unsortierter Bett-Frisur. Alles sei langsamer vonstatten gegangen als bei den Aufnahmen der beiden Vorgängeralben, was nur möglich gewesen sei, weil Maxi’rno Park bei einem Indielabel unter Vertrag stehen: „Viele der Bands, mit denen man uns gerne in einen Topf wirft, mussten im letzten Jahr neue Platten rausbringen“, erzählt Wooler. „Wären wir bei einem Major, hätte man uns ganz bestimmt ebenfalls gedrängt, schnell nachzulegen. Es macht nach wie vor einen Unterschied aus, bei welchem Label man ist. „

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Der zitierte Song „Let’s Get Clinical“ sei ein perfektes Beispiel für die neue Arbeitsweise: Aus einem akustischen Folksong habe sich ein „Robo-Funk-Song“ entwickelt. Am Anfang hätten alle fünf Mitglieder nur sehr düstere und vertrackte Ideen eingebracht.

SIE HABEN sich angeschaut und gefragt, warum das alles keinen rich-‚ tigen Spaß machen will. Erst nach einem klärenden Gespräch, zu dem auch Produzent Nick Launay beitrug (der Brite lebt in Hollywood und hat von Killing Joke über Nick Cave bis Yeah Yeah Yeahs schon einige sehr gute Alben mit zu verantworten), habe man sich wieder auf die eigentliche Stärke der Band, das Schreiben infektiöser, schneller Popsongs, besonnen. Auf diese Art und Weise entstand eine interessante Mischung: Mehr noch als die beiden Vorgänger ist die Platte dominiert von Kanten, Unregelmäßigkeiten und kleinen Twists, sie erschließt sich nicht so leicht. Aber irgendwann haben die Songs den Hörer am Haken, und alles löst sich in purer Pop-Glückseligkeit auf. Ähnlich wie bei Smiths Texten seien es auch musikalisch letztlich Kleinigkeiten gewesen, berichtet Wooler, die einen ordentlichen Song in Richtung Magie geschubst hätten. „I Haven’t Seen Her In Ages“ etwa, das Abschlussstück von QUICKEN THE HEART, liege schon seit vier Jahren herum, doch es habe der letzten feinen Veränderung – in diesem Fall: eines neuen Bass-Parts — bedurft, um das Stück Funken sprühen zu lassen. Smith versetzt Wooler einen enthusiastischen Schubs: “ Weißt du noch, was du letztens gesagt hast: ,Das ist im Grunde nur ein Folksong. ‚Aber hör’s dir jetzt an, ich kann nicht glauben, wie sehr das Ding groovt/“

Das Wort „Groove“ fällt einige Male in diesem Gespräch. Wenn Lukas Wooler das Wort ausspricht, klingt es ähnlich, wie wenn Mick Jagger „Blues“ sagt: Er genießt das Wort fast zwei Sekunden lang. Lukas: Wir haben uns einfach überlegt: Warum machen uns manche Songs Spaß und manche weniger? Und wir stellten fest: Die tanzbareren Stücke gefielen uns deutlich besser. Wir haben deshalb etwas Neues versucht: Wir wollten einen Groove. Wir wollten die Musik ein wenig verlangsamen. Uns ging es wohlgemerkt nicht darum, Tanzmusik zu machen oder es gar „Dance“ zu nennen, dafür sind unsere typischen Maxi’mo-Park-Strukturen viel zu kantig und detailverliebt, wohingegen klassische Tanzmusik immer ein bisschen flach sein muss. Paul: Wir wollten ausprobieren, wie weit wir die Grenzen der Band ausdehnen können, um Tanzmusik zu machen. Aber es stand nie zur Diskussion, einen Drumcomputcr zu benutzen. Tom (English — der Schlagzeuger, Anm. d. A.) hätte seinen Kram zusammengepackt und wäre auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Lukas: Ich glaube, man darf eins nicht vergessen: Am Ende des Tages geht es immer noch um Songs. Der Song ist König. Wir könnten all diese Stücke auch in Akustikversionen spielen, sie würden das ohne Probleme aushalten.

Was muss ein guter Song haben, um zu berühren?

Paul: In meinen Lieblingssongs sagt der Autor: „Das ist mein Leben“ – allerdings auf eine Art, dass ich das Gefühl habe, dass es nicht um sein, sondern um mein Leben geht. Mark Kozelek von Sun Kill Moon ist der Meister für mich. Das überwältigt mich: Er singt über mein Leben, und er weiß nichts davon. Gleichzeitig ist mir klar, dass er über sich spricht. Ein Song seiner ersten Band Red House Painters heißt „Brockwell Park“. Das ist ein Ort in London. Ich bin noch nie dort gewesen, aber ich habe durch den Song das Gefühl, diesen Ort zu kennen. Solche genauen Beschreibungen sind wichtig beim Songschreiben.

Das heißt: Man muss sehr speziell und detailversessen werden, um Allgemeingültigkeit zu erlangen?

Paul: Ich denke ja.

Du hast früher deutlich mehr mit Slogans gearbeitet. Auf der neuen Platte fällt zunächst nur einer auf — und der ist so gut, dass man ihn eigentlich an jede Wand sprühen müsste: „The Kids Are Sick Again.“

Paul: Man kann „The Kids Are Sick Again“ sicherlich politisch verstehen, aber der Song ist in Wahrheit eine nostalgische Erinnerung. Es geht um die tröstende Kraft der Erinnerung an Urlaubsreisen in der eigenen Kindheit, und das führt mich nicht zuletzt zwangsläufig auch dazu, eine Aussage über die Gesellschaft zu treffen, denn das alles funktioniert ja zyklisch: Jede Generation braucht auch das Gefühl der Desillusiomerung, sonst kommt sie nicht voran. „The Kids Are Sick Again“ feiert für

mich die Idee, etwas Altes abzuschließen, um etwas Neues anfangen zu können. Es heißt in dem Stück: “ The kids are sich again / Nothing to look forward to I Theyjump the clijf again / Futitre sinks beneath the blue.“ Das ist auch ein schönes Bild dafür, ins Unbekannte einzutauchen.

Aber um mal richtig kulturpessimistisch zu werden: Die Jugend wird doch tatsächlich konservativer. Hast du nicht das Gefühl, dass sich auch jede Generation ein bisschen weniger gefangen und ausbruchwillig fühlt als die letzte?

Paul: Das denke ich auch, klar. Von außen betrachtet, haben junge Menschen heute mehr Möglichkeiten, und Maggie Thatcher ist auch schon länger nicht mehr da. Aber auch wenn man Zugang zu neuen und immer mehr Zerstreuungs- oder Ablenkungsmöglichkeiten hat, bedeutet das nicht, dass man sich universeller Gefühle wie Leere oder dieser Ahnung von Sinnlosigkeit entziehen könnte. Im Gegenteil.

Es geht auf dem Album auch wieder viel um Kommunikation – und ihre Unmöglichkeit. In „Under A Cloud Of Mystery“ wünscht sich jemand, einer anderen Person nur „unter einer Wolke des Mysteriösen“, also außerhalb der Realität und des Alltags begegnen zu können. Dann wieder, in „Questing, Not Coasting“, singst du flehentlich ein Gegenüber mit den Worten an: „/ need to connect toyou.“ Suchst du eher Nähe oder das Mysteriöse?

Paul: Ich bin definitiv mehr der verbindliche Typ. Das andere ist ohnehin illusorisch. Man lernt einen Menschen ja zwangsläufig besser kennen, das Mysteriöse hat keine besonders lange Haltbarkeit. Aber man kann auch dem Alltäglichen etwas Besonderes geben: mit jemandem an einen Ort fahren, der einem einmal viel bedeutet hat und der über eine bestimmte Stimmung verfügt, zum Beispiel.

Das Mitglied einer Rockband zu sein, bietet allerdings tatsächlich gute Möglichkeiten, Menschen nur kurzfristig, ohne Verbindlichkeiten und gewissermaßen im Mysteriösen zu begegnen … Paul: Absolut. Der eine oder andere von uns hat das in den letzten Jahren auch sehr genossen. Das Leben als reisende Band ist ja zuerst einmal nicht einfach: Man fühlt sich oft sehr unverbunden mit dem Rest der Welt, weil man dauernd unterwegs ist. Aber man kommt auch mit mehr Dingen einfach durch. Man trifft ein Mädchen, und am nächsten Tag ist es wieder weg. Aber all das wiederholt sich irgendwann doch sehr…

Lukas: … und es macht einen auch wahnsinnig leer. Es ist, was es ist, ohne irgendetwas dahinter. Dabei braucht man ja eigentlich das Gegenteil: eine gewisse Bodenhaftung. Auf Dauer lernt man aber doch eine gewisse Verlässlichkeit zu schätzen.

Paul: Man sucht ja immer etwas, was bleibt – und wenn es die „Wolke des Mysteriösen“ ist, die bitte bleiben soll. Niemand will Vergänglichkeit. Mein Thema auf dem Album sind Erinnerungen: Berührungen oder Blicke, die man nicht vergisst. Es ist in deinen Adern, in deinem Blut. Es ist etwas, das weitergeht. Darum geht es auf dieser Platte. Es ist nicht mehr einfach nur „All ¿we have is now I And the arc of your brow“ (aus „Parisian Skies“ vom letzten Album -Anm. d. Red.). Es geht um die Suche nach den kleinen Dingen, die bleiben. Erinnerungen, die es wert sind, dass man sie wahrt – und die das Herz beschleunigen.

Paul Smith lächelt verlegen und schaut ob so viel ernsthafter Selbsterklärung ein bisschen unsicher drein. Es scheint, als gehe es bei Maximo Park um dasselbe, was Smith auch über Beziehungen sagt: Man kann etwas Besonderes aufrechterhalten. Man muss nur ein Auge für die Details haben und die Erinnerung an den außergewöhnlichen Moment nachhallen lassen. QUICKEN THE HEART ist voll solcher Kleinigkeiten, die als Erinnerungstrigger funktionieren und in der Lage sind, Ewigkeit aus einem Augenblick zu pressen. Hierin I iegt der Unterschied zwischen Maximo Park und vielen Bands ihrer Generation: Über ihren großen Unterhaltungswert hinaus bedeuten sie etwas, weil sie um die kleinen Dinge wissen, die den Augenblick überdauern.

George Lukas würde gütig lächeln, wenn er Smith reden hörte: „Dieses eine Bild in dem Song ,Penultimate Clinch‘ beschreibt es für mich am besten: Ich spreche dort vom Zerlegen eines ausrangierten Raumfahrzeugs. (Paul Smith singt dort: „But it’s like dismantling a decommissioned spacecraft: Soine parts you can ‚t destroy. „-Anm. d. Red.) Das ist für mich eine sehr genaue und sehr moderne Metapher für etwas Zeitloses. Dafür, dass man bestimmte Dinge nicht zerstören kann.“

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Albumkritik S. 76