Marianne Faithful – London, Dominion Theatre


Es war nicht nur ihr einziger Auftritt in England zwischen einer Skandinavien und USA-Tournee, sondern überhaupt das erste große Konzert in London im Laufe ihrer nun beinahe schon 20jahrigen Karriere. Das Publikum war dementsprechend. In der Mehrzahl Hardcore-Fans, die mit ihrem Star, falls er denn triumphierte, mitfeiern wollten, oder mit ihm leiden, sollte er, was ja möglich war, versagen.

Marianne Faithfull’s Auftritt war recht zwiespältig. Sie war ohne Zweifel höllisch nervös, furchtbar unsicher. Immer wieder verschwand sie während der kurzen Pausen zwischen den einzelnen Songs von der Bühne, um sich – ja was? – zu holen: Zuspruch, Durchhalteparolen, Pillen, Schnaps? Who knows. Unentwegt qualmte sie eine Zigarette nach der anderen. Dann wieder stand sie händeringend in Kleinmädchen-Pose da, was angesichts ihrer 35 Jahre etwas peinlich wirkte so, als wollte sie das Publikum bitten: ‚Ich hab meine Hausaufgaben gemacht, und nun seid bitte, bitte lieb zu mir.‘ Dabei hatte sie dies ganze Gehabe nicht nötig, und nicht nur, weil die Zuschauer ohnehin auf ihrer Seite waren. Denn: Sie hatte (in der Mehrzahl) gute Songs, eine Stimme, sie mit angemessener Theatralik zu interpretieren, und – last but not least – eine handwerklich versierte, dank Gitarrist Barry Reynolds überwiegend inspiriert aufspielende Begleitband, deren Kompetenz ihr über etliche Schwächen und Unsicherheiten hinweghalf.

Sie bestritt ihr Programm hauptsächlich mit Stücken von ihren beiden letzten Alben, BROKEN ENGLISH und DANGEROUS ACQUAINTANCES. Gleich zu Beginn des Konzerts eine mitreißende, sehr kraftvolle Version von „Broken English“; sehr gut hier in Verbindung von Synthesizer-Arrangements und ökonomischem, geradeaus gespieltem Rock. „Why D’Ya Do It?“ hatte nicht ganz die gleiche erotische Spannung wie auf Platte. Lennon’s „Working Class Hero“ kam ein bißchen zu melodramatisch, Songs wie „Eye Communicalion“ und „Intrigue“ waren schlicht banal, undSpringsteen’s „Because The Night“ hätte sie lieber lassen sollen, das konnte Patti Smith besser. Sehr gut, sehr intensiv dagegen das Folk-artige „So Sad“ und – einer der Höhepöunkte des Abends „The Ballad Of Lucy Jordan“. Beinahe ergreifend war (das auf Platte eher langweilige) „Truth Bitter Truth“ mit seinem Lamento-Refrain „where did you go to, my youth ?“. Alles in allem kein schlechtes Konzert. Schade nur, daß die (meist mittelalterlichen) Zuschauer auf Nostalgie standen. Marianne Faithfull macht moderne Popmusik und hätte ein besseres (und jüngeres) Publikum verdient.