Marti Jones: Heim Arbeiter


Die Wahl des Produzenten fällt ihr ungewöhnlich leicht: Mit Ehemann Don Dixon lebt und arbeitet die unterbewertete US-Sängerin unter einem Dach. ME/Sounds-Mitarbeiter Jörg Feyer besuchte das traute Team in seiner Studio-Idylle.

Eine schwarzhaarige Schönheit reckt mir ihr Haupt entgegen, als die Eingangstür ins Schloß fällt. Doch im „Reflection“-Studio zu Charlotte/North Carolina verrichtet nicht die übliche Rezeptionsfee ihren Dienst: Kater Felix, der gute Geist des Hauses, begrüßt einen Gast, der sich ob dieser Überraschung gleich wie zu Hause fühlt. Hier also spielten nicht nur R.E.M. Frühwerke wie MURMUR oder RECKONING ein; auch unbekanntere Interpreten wie Guadalcanal Diarv, Andrew Cash oder In Tua Nua suchten die relaxte Atmosphäre, vor allem aber die Expertise des produzierenden Hausherrn. Der heißt Don Dixon und hockt auf der Treppe zum Regieraum. Als ich von ihm wissen möchte, wie er denn selbst seinen Status einschätzt, gibt Dixon die Frage an eine blonde Frau weiter, die mit einer Akustik-Gitarre auf dem Sofa in der Ecke hockt.

Sie heißt Marti Jones und sagt: „Du bist sowas wie ein Kultstar!“ Dixon lacht. Marti lacht nicht und erläutert. „Ich meine, du wirst wirklich respektiert. Du hast nie einen Hit gehabt, und trotzdem lassen dich die großen Firmen immer wieder ran. Und viele Bands würden vor Glück sterben, wenn Dixon ihre Platte produzieren würde. Ich hab ihn glücklicherweise immer am Wickel – schließlich bin ich mit ihm verheiratet. „

Eben deshalb muß der Reporter abseits arrangierter PR-Pfade immer mit einem gut eingespielten Team rechnen. Als ich von seiner Gattin wissen will, wie es denn nun auf Dauer sei – nicht nur Tisch und Bett, sondern auch noch Bühne und Studio miteinander zu teilen, murmelt er etwas, das wohl „Soll ich solange rausgehen.'“ heißen soll.

Das Schwierigsie, so ihr Fazit, sei es, „einen der beiden Bereiche mal völlig auszuschalten „. Doch die Vorteile überwögen bei weitem. „Wir können zusammen reisen, in der Band des anderen spielen, oder als Akustik-Duo ein bißchen tingeln.“

Und – nicht zu vergessen: Platten machen. Dixon. der lange Jahre als Sänger & Bassist der Pub-Rock-Band Arrogance vorstand, mag heute als Produzent sein Renommee haben – als Songschreiber und Interpret wird er nach wie vor arob unterschätzt. Dabei ginge sein 85er-Werk MOST OF THE GIRLS LIKE TO DANCE … auch heute noch als vergnügliches Pop-Panorama pubertärer Wirren durch, und auch das aktuelle Dixon-Album EEE hätte hierzulande mehr als ein karges Import-Dasein verdient.

Marti Jones hat nach einer kommerziell eher erfolglosen Platten-Trilogie den Arbeitgeber gewechselt, „eine glückliche Entscheidung“, wie sie meint, denn nach dem Verkauf ihrer früheren Firma A&M wäre sie dort wohl zur Manövriermasse verkümmert.

Die Arbeit am neuen Album ANY KIND OF LIE beschreibt Marti als „mühelos“.

Doch da interveniert Dixon: „Darf ich mal kurz unierbrechen ? Also, die ganze Schreiberei ging beileibe nicht immer unbedingt mühelos vonstatten.“

Der Startschuß für die Songwnterin Jones fiel 1987 in – München: Als Dixon dort mit In Tua Nua produzierte, verkroch sich Marti eine Woche lang in ihrem Hotelzimmer, denn „ich wußte, daß mich in München niemand anrufen wird“.

„Es ist schwer“, kommentiert Marti ihre neue Rolle, „sich selbst davon zu überzeugen, daß man gut genug ist, um in der Liga der Lieblings-Autoren mitspielen zu können. Das größte Problem ist das Selbstbewußtsein.“ Und die Versuchung, die neues, attraktives Fremdmaterial ausmacht. Gelegentlich ergibt sich sogar ein persönliches Stelldichein mit dem Autoren – etwa auf einer Aftershow-Party in North Carolina. Marti: „Dixon wollte ihm einfach auf die Schulter klopfen, aber Bowies Bodyguard tat erst mal seine Pflicht. Dann sagte Dixon: .David, dies ist Marti Jones, sie hat ‚Soul Love‘ gecovert.‘ Bowie sagte: ‚Oh, wirklich!‘ Dann gab ’s eine kleine Pause, er schmunzelte und meinte: ‚Und wie hat sich die Platte verkauft?“ Marti kichert. „Etwas später haben wir diese Bowie-Biografie gelesen, wo beschrieben wird, wie er hinter seinem Geld her ist. Das paßte perfekt. „