MASSIVE ATTACK
Auf der Ruhrtriennale präsentieren Massive Attack und der Dokumentarfilmer Adam Curtis vier Tage lang ihre Collage über das Ende der Utopien.
„Wir stellen uns vor, was wir fürchten werden, und fürchten, was wir uns vorstellen“, fasst ein Sprecher in der Kraftzentrale den Sicherheitswahn zusammen, mit der sich eine Weltrisikogesellschaft vergeblich zu schützen versucht. Die aufregend geschnittene Filmcollage des britischen Dokumentarfilmers Adam Curtis, die im Juli in Manchester Premiere feierte, stellt heilen Kintopp von Disneys „Mary Poppins“ brutalen Dokumentationen gegenüber, die unter anderem Kriegsopfer, Tschernobyl-Opfer, hingerichtete Diktatoren und neue Diktatoren zeigen. Immer wieder greift die Bilderflut einzelne Geschichten heraus. Die der Mitbegründerin der Pop-Art zum Beispiel: die englische Malerin Pauline Boty, die nicht zuletzt auch Bob Dylan nach England geholt haben soll. Filmausschnitte zeigen sie als aufsteigende junge Künstlerin, als eine gefeierte Frau, der eine große Zukunft bevorstand, und die doch ein Jahr nach solchen glücksverheißenden Impressionen an Krebs starb. Wiederholt betont der Film: Die Zukunft lässt sich nicht berechnen.
Über acht Leinwände, die die Halle umsäumen, wirken die Bilder auf die Zuschauer. Die vorderen Leinwände werden immer wieder transparent und zeigen die Band, die dahinter den Soundtrack zum Film live spielt und nur ab und an aus dessen Schatten hervortritt: Massive Attack. Einigen Fans ist das freilich zu wenig, war man es auf Massive-Attack-Konzerten bislang doch gewohnt, dass die Visuals bestenfalls die Musik bebildern und nicht die Musik im Dienst der Bilder steht. Doch die sehr erdrückende Bild-Sound-Kombination geht auf.
Massive Attack akzentuieren den Film, ja, kommentieren ihn bisweilen, wenn sie „Just Like Honey“ von The Jesus And Mary Chain covern, Bauhaus‘ düster beschwörendes „Bela Lugosi’s Dead“ um einige Dub-Beats erweitern oder Gastsängerin Elizabeth Fraser (Cocteau Twins) nur von einer Gitarre begleitet der desillusionierenden Filmattacke Burt Bacharachs Klassiker „The Look Of Love“ entgegenstellt.
Doch auch solche Heilsversprechungen einer Popmusik werden entlarvt. Bedrohend laut dröhnt plötzlich eine vermeintliche Realität in Form von tiefen Bässen in den Klangteppich. Weder der Filmemacher noch die Musiker wollen nach der Vermarktung einer Realität durch Medienmogule wie den CNN-Begründer Ted Turner eine solche Realität noch von der Fiktion unterscheiden. „Now Find Your Own Way Home“ fordert ein Schriftzug am Ende des Spektakels und entlässt das Publikum als selbstverantwortlich ohne Zugabe. Als es daraufh in den Auftrittsort verlässt, wird es von Suchscheinwerfern geblendet, die vom Ausgang aus die Halle sondieren.