Mink De Ville
Kaum zu fassen, wie bei Willy De Ville alle Details stimmen und zusammenpassen: Da steht dieser mexikanische Zigeunerbaron auf der Bühne, mit millimeterdünnem Oberlippenbärtchen, singt Rhythm & Blues mit Latino-Touch und erzählt ganz sympathischer Widerling – von den Schwierigkeiten, auch noch cool zu bleiben, wenn das Mundharmonika-Gestell beim Überstreifen die Entenschwanzfrisur gefährdet. Ob als verlassener Lover oder arroganter Windbeutel: Kaum einer ist so schlankweg überzeugend wie Goldzahn-Willy.
Wer so klassisch das Genre verkörpert, von dem erwartet keine stilistische Neuerungen oder Regelwidrigkeiten. Zum Aufwärmen: der Saxofon-Klassiker „Tequila“. Dann Auftritt Spargel-Tarzan von links, noch einmal am Glimmstengel ziehen, wegschnippen, austreten und ab geht’s: „This Must Be The Night“. Nun Klassiker wie „Cadillac Walk“ und der „Spanish Stroll“, das konsequenteste Beispiel für Willies erzählenden Gesangsstil, begleitet von den überraschend femininen U-hu-hus seiner Mitstreiter in Schwarz.
„Desperate Days“: Der Texmex-Sprechgesang nähert sich im Reggae-Rhythmus dem französischen Chanson. Willy knödelt mit rauher Intensität Tieftrauriges zum Gewimmer der Hammond-Orgel, preist den Saxer Steve Douglas, weil Fans lautstark Louis Cortelezzi vermissen, als Routinier der Phil-Spector-Ära, greift zur Klampfe, um Dylan an Savoir faire zu übertreffen.
Abtritt zur Halbzeit. Nach altem Brauch gibt das instrumentale „Hartem Nocturne“ dem Entertainer aus New York Zeit, aus dem Streetboy-Outfit in den Maßanzug umzusteigen. Genüßlich wird ein satter Groove aufgebaut für „Little Daddys Caddy“. Nun wechseln Songs von „Where Angels Fear To Tread“ mit Coup De Grace-Titeln. Akkordeon-Schluchzen untermalt ein ergreifendes Gesangsduett mit Gitarrist Rick Borgia.
Erwartungsgemäß Stimmungshochs bei „Each Word Is A Beat Of My Heart“ und dem Salsa-durchtränkten „Demisiado Corazon“. Nur leidlich können die beiden Keyboarder hier die fehlenden Bläser ersetzen. Den „Italian Shoes“ fehlt dann auch der verschärfte Tritt.
Vier der aktuellen (Uptempo-)Balladen lassen eine gestandene 40jährige zwei Reihen vor mir an den Nägeln kauen. Nach einem knapp zweistündigen Kraftakt nutzt Willy „I Must Be Dreaming“, um sich aus dem Scheinwerferlicht (clever von beiden Seiten statt platt von vorn) zu schleichen. Zum Tanzen waren die Fans nicht so recht zu bewegen, aber nun trampeln sie wie besessen mit den Füßen. Dafür gibt’s noch ein „Stand By Me“ nicht weniger und nicht mehr (wo doch der Beleuchter auf immerhin noch drei Rausschmeißer vorbereitet gewesen wäre!).