Mitgefühl mit dem Ultrabösen: Wie „Star Wars“ bereits (Josef Winklers) Kindergartenkinder beeinflusst
Welches alternative Universum hätten Sie gern? Bitte eines, in dem McCartney läuft. Josef Winklers aktuelle Popismus-Kolumne „Hirnflimmern“.
Ich kann auch nur spekulieren, was für ein ausgebufft-weitblickender Unterhaltungsgeschäftsvisionär genau George Lucas war, aber konnte der Mann 1977, als er sich berühmterweise die Vermarktungsrechte für den mannigfaltigen Merch-Müll zu „Krieg der Sterne“ (bitte beachten Sie die old-school Note) vertraglich zusichern ließ – und alle so: Mei, der spinnerte Schorsch, was will er denn? Mit ein paar Plastikmännchen reich werden?
Hohohoho! –, konnte der da vorausahnen, dass im Jahr 2021 hier überall in meinem Haushalt so fizzelige Star-Wars-Sammelkärtchen herumfliegen würden, die Grundschulkinder, die noch nicht mal „Star Wars“ schauen dürfen, aber trotzdem längst „in the cult“ sind – ich vermute ja, das ist in der westlichen Kultursphäre mittlerweile angeboren –, einem an der Dorfladenkasse abquengeln? Hier liegt schon wieder eins auf dem Esstisch – wer das da drauf sei, fragt der Fünfjährige. Ha, für die Expertise muss also doch noch Papa ran!
Also. Ich habe ja seinerzeit inmitten der sogenannten „Prequels“ den Anschluss und dann bald schon meinen ohnehin bestenfalls kursorischen Überblick über das „Star Wars“-Universum verloren, aber den hier kenn’ ich noch: Das ist natürlich Boba Fett, Kopfgeldjäger in Episode 5 (stimmt’s?) – wobei ich anmerken möchte, dass das Berufsbild des Kopfgeldjägers für ein Kindergartenkind noch nichts zur Sache tut … Ja ja, winkt der Bub ab, er frage nur, weil, „da gibt’s bei ‚Ninjago‘ einen, der hat den gleichen Helm. Aber der ist viel größer und ganz schwarz, und seine Augen sind blutrot.“
So würd’ ich mich auch nennen, wenn ich ein Fantasy-Schweinehund aus Plastik wär’
Oh Himmel. Hab’ ich eigentlich irgendwie im Blick, was für Zeugs sich meine Schutzbefohlenen reinziehen, während ich sie noch nicht alt genug für „Star Wars“ wähne? Blutrote Augen also. Und wie heißt der Typ? „Das Ultraböse.“ Ah. Pfiffiger Name. So würd’ ich mich auch nennen, wenn ich ein Fantasy-Schweinehund aus Plastik wär’. Oder „das Ultrablöde“, klingt auch lustig. Was? Diese Verhohnepiepelung stößt auf Unwillen: „Hör auf! Das arme Ultraböse!“ Mein Sohn zeigt, frei nach Jagger/Richards, Mitgefühl mit dem Ultrabösen – das solches, wie wir längst wissen, weiß Gott nicht nötig hat.
Mach dir mal keine Sorgen um das Ultraböse, Bub. Das hat ein dickes Fell. Von seinem mächtigen Verbündeten, dem Ultrablöden ganz zu schweigen. Wir sind täglich von den beiden umgeben, ja: vielleicht ist das hier sogar deren Universum, und wir leben nur drin und müssen uns täglich wehren … Aber dafür bist du jetzt wirklich noch zu klein. Lass uns mal rausgehen, die Lämmer striegeln und auf dieser MP3-Gurke von deinem Bruder „Band On The Run“ hören. Das wäre für den Moment mein Angebot zur Flucht in ein alternatives Universum. Und es wär echt nett, wenn ich da kurz mitkommen könnte.
Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 06/2021.