Moby


Moby, der Meister des Großraumdisco-Techno, ein verkappter Punk-Rocker? Wer die Entwicklung des New Yorker Energiebündels über die letzten Jahre verfolgt hat, den dürfte das eigentlich nicht verwundern. Bereits als Support-Act von Front 242 vor drei Jahren holte Richard Melville Hall, so Mobys bürgerlicher Name, die Gitarre auf die Bühne, und als er letzten Herbst mit den Red Hot Chili Peppers durch Europa tourte, wütete er mit einem Gemisch aus Sequenzerklängen und Live-Instrumentierung durch sein Set. Das Publikum stand dem kompromißlosen Musikkompott damals überwiegend mit Schrecken gegenüber. Bei den Konzerten der belgischen EBM-Band Front 242 buhte das Publikum den glatzköpfigen Christen von der Bühne, bei den Gigs der Chili Peppers machte sich meist das große Schweigen breit. Konfrontiert mit solchen Meinungsäußerungen, reagiert auch Moby nicht gerade zimperlich. Da kam es dann schon mal vor, daß Moby das intolerante Front-Publikum mit „Fuck off, Nazis“ verabschiedete. Derlei Äußerungen waren bei seinem Clubauftritt in Hamburg nicht nötig. Immerhin wurde das Konzert auch eindeutig als Punk-Rock-Show ausgewiesen. So erschienen dann auch überwiegend Besucher, die vor allem eins waren: neugierig. Und daß Moby dann in der Tat ohne jegliche Unterstützung von DAT-Recordern, Sequencern oder Samplern auf die Bühne trat, sondern einzig in Begleitung eines Drummer, Gitarristen und Bassisten, verwunderte dann doch, zumal die Auszüge aus Mobys demnächst erscheinenden Album, welche voran an die Presse geschickt worden waren, eher auf einen Industrial-Punk-Zwitter schließen ließen. Gleich beim ersten Titel ‚Someone To Love‘ zeigte sich, daß Moby, der bereits in den 8oern bei diversen Hardcore-Bands tätig war, sich sichtlich wohlfühlte mit dem neuen Band-Line-Up. War Mobys Bühnenpräsenz schon seit jeher äußerst intensiv, sprang der 29jährige diesmal mit Gitarre um den Hals herum, als hätte er eine Überdosis Duracel-Batterien geschluckt. Im Verlauf der nächsten sechzig Minuten schrammelte Moby, was das Zeug hält, und machte auch als Sänger/ Schreier eine gar nicht schlechte Figur. Losgelöst von vorkonstruierten Sequencer-Platten und festgelegter Songreihenfolge, spielte Moby, wozu er Lust hatte und ignorierte weitestgehend die ihm auf den Boden geklebte Playlist. Und um irritierten Bandmitgliedern über die jeweils nächsten drei Minuten zu helfen, gab er schon mal die Akkordabfolge zu Beginn eines Songs an. Der Set selbst war eine Mischung aus Songs der neuen Hardcore-CD und neueingespielten Versionen der letztjährigen LP ‚Everything Is Wrong‘. Selbst ein Cover seines 91er Twin-Peaks-Hits ‚Go‘ und ein vor 15 Jahren von Moby komponiertes 45-Sekunden-Stück namens ‚Wonder Bread‘ fehlten nicht. Lediglich die Auswahl von Coverversionen (Joy Division, Jimi Hendrix, Led Zeppelin) hätte ruhig eine Idee origineller ausfallen können. Ein amüsanter Fehler, wie ihn auch die Rock-Business-Persiflage Spinal Tap nicht besser hätte inszenieren können, rundete Mobys gelungene Rockperformance schließlich ab: Anstatt nach dem Konzert im Backstageraum zu verschwinden, wählten Moby und Band die falsche Tür und landeten versehentlich in einer Abstellkammer, die sich von innen nicht öffnen ließ. Erst ein hilfsbereiter Roadie befreite die Gruppe nach wiederholtem Klopfen aus ihrer mißlichen Lage. Da konnte sich selbst der extra aus London eingeflogene Boß von Mobys Plattenfirma Mute Records, Daniel Miller, ein Grinsen nicht verkneifen.