Monster Magnet
Angeklebt, überklebt, abgerissen, gewellt vom kondensierten Schweiß eines Vierteljahrhunderts Musikgeschichte – Schicht über Schicht erzählen Sticker, Aufkleber und Handzettel an den Wänden des Clubs die Geschichte des Punk, der New Wave, des Hardcore. Es ist die Geschichte von Sonic Youth, Soundgarden und Patti Smith, von Police, den B 52’s, Blondie und den Talking Heads.
Monster Magnet treten heute Abend an, dieser Geschichte ein Kapitel hinzuzufügen. Tätowierte Waden und rasierte Schädel drängen sich denn auch auf der engen Tanzfläche vor der noch engeren Bühne. Man unterhält sich über Nasenringe, gepiercte Bauchnabel und rollt Joints im Kerzenschein. Und dann ist es da, kurz vor Mitternacht, dieses Feedback. Ein heulendes, fettes, häßliches Geräusch. Und dann ist da noch Dave Wyndorf, ein heulender, fetter, häßlicher Mensch. Schwitzend und mächtig, mächtig schwitzend in seinem hautengen Muscle-Shirt, und die Combo hintendrein. Es jault immer noch, der Schlagzeuger nimmt Platz, der Bassist zupft ein paar bebende Akkorde – und wie ein Dammbruch, als spazierte draußen leibhaftig Godzilla durch Manhattan, bläst der Titeltrack des neuen Albums „Powertrip“ aus den Boxen, pustet den Schaum vom Bier und läßt Hosenbeine flattern. Das Biest ist frei, und es brüllt dir seinen Namen ins Ohr: „Rock’n’Roll!“. Der „Powertrip“ kann beginnen und fortfegen, was sich sonst noch dort eingenistet haben mag. Metal? Punk? Rock? Testosteron! Unbeholfen stolpern zwei Stripperinnen zwischen den Stahlarbeitern und versuchen, zum Rhythmus der Apokalypse ihre Brüste wippen zu lassen. Yeah, this is Hardcore.
Mit seiner Stratocaster, die anmutet, als habe Herr Wyndorf damit die diversen Vorgruppen höchstselbst von der Bühne geprügelt, hackt er selbst eigene, psychedelische Kompositionen kurz und klitzeklein. „Look To Your Orb For A Warning“? „Dopes To Infinity“? Was einmal wie Hawkwind auf Speed oder Syd Barrett in Sadomaso Tracht daherkam, wird hier eingedampft, komprimiert, zermalmt und zugleich wieder ausgespuckt. Monster Magnet machen nicht etwa Musik am Rande des Lärms, sondern stagediven darüber hinaus in die offenen Arme des Wahnsinns. Transpiration statt Inspiration, Kraft statt Kreativität, Hormone statt Harmonien. Dies sind Monster Magnet, das ist Rock’n‘ Roll, draußen ist New York – und wir werden uns warm anziehen müssen, wenn Dave Wyndorf und seine Schergen im Sommer über uns kommen.