Morrissey


Die Ungeduld im ausverkauften Auditorium ist gerade dabei, in Unmut umzuschlagen, als endlich das Saallicht ausgeht. Vom Band tönt eine ziemlich unerträgliche Opern-Diva. Da öffnet sich, vom Aufschrei der Menge begleitet, der Bühnenvorhang. Einen Spalt breit zwar nur. aber schon recken sich etliche Arme mit Blumensträußen vor. Die Bühne liegt derweil noch völlig im Dunkeln. Doch irgendwo da vorn muß er sein. Dann schaffen Scheinwerfer Gewißheit: Morrissey ist da!

Wer angesichts des aktuellen Albums. KILL UNCLE. schon befürchtet hatte, einen feierlichen Abend bei Kammermusik verbringen zu müssen, sieht sich zunächst noch angenehm überrascht. Mit zwei potenten Gitarristen und einem kraftvollen Drummer sorgt Morrisseys Band vom Start weg für aggressiven Druck. Regelrecht komödiantisch wird’s dann, als die Musiker einen kurzen Abstecher in Rockabilly-Gefilde unternehmen — inklusive Stehbaß und Chuck Berrys Watschelgang von den Männern an der Gitarre.

Aber auch Morrissey höchstselbst verrichtet derweil Schwerstarbeit. In Lasso-Manier schwingt er das Mikro. tätschelt hie und da ein feuchtes Händchen, schwenkt ungelenk Hüllen und Oberkörper und läßt sich theatralisch auf die Bühne fallen, um dort — Knie rauf. Kopf runter — in einer Pose zu verharren, die an Krankengymnastik für Bandscheibengeschädigte erinnert.

Und dann noch die Wortheiträge des großen Meislers. Die bei weitem ergiebigste Message hat folgenden Wortlaut: „Einige Leule versuchen, mir Geldstücke in die Augen zu werfen. Haut denen eins auf die Fresse, falls ihr gerade danebensieht.“

Eine lieblos runtergekniippelte Version von Paul Wellers Jam-Klassiker „That’s Entertainment“ läutel eine neue Runde in der knapp einstündigen Show ein. Nein, das ist keine Unterhaltung, das ist Stadion-Rock. Die Band wirkt plötzlich überfordert, tut einfach zuviel des Guten. Auch „Piccadilly Palare“ geht die Leichtigkeit der Studioversion ab.

Auf Smiths-Songs wartet das Publikum bis zum Schluß vergeblich. Dafür gibt’s aber — erstaunlich genug — eine Zugabe. Schließlich der Abgang, das Saallicht geht an, vom Band kommt ,.Ave Maria“ — hat jemand was anderes erwartet?