Moses P
VIVA-Lästermaul Stefan Raab hatte im Anschluß an die Verleihung des Musikpreises "Echo" eine schmerzhafte Begegnung mit der Beton-Stirn des Rödelheimer Rappers Moses Pelham. Ein Vorfall, der juristische Konsequenzen nach sich zieht und zu der folgenden Frage führt:
Darf man Brillenträger schlagen?
Er trug keine Brille. Ansonsten gibt es in der Stellungnahme (von Raabs Anwalt/Anmerkung der Redaktion) ein paar Sachen, die stimmen, und ein paar, die nicht stimmen. Ich glaube, ich hatte das Gespräch mit Stefan Raab gesucht. Und dann hat er den falschen Satz gesagt.
Kannst du dich an diesen Satz erinnern, oder hattest du einen zuviel getrunken?
Nein, ich bin Kampftrinker. Ich würde das nie auf den Alkohol schieben. Natürlich kann ich mich erinnern.
Was genau hat er denn gesagt?
Er hat ja ein Jahr lang fast jede Sendung mit irgendwelchen Dummsprüchen über mich gefüllt. Ich bin von Raab viel öfter als andere öffentlich vergewaltigt worden. Ich hatte das Gefühl, daß er es wirklich von mir wissen will. Und dann hat er mir ins Gesicht gesagt, daß ich zu den Leuten gehöre, die es eigentlich gewöhnt sein sollten, daß man so mit ihnen umspringt. Mehr sage ich dazu nicht, weil ich ihm nicht auch noch ein öffentliches Forum für seine Angriffe geben will.
Der Rödelheimer Rapper Moses P. (26) ist ein Mann der Tat – bisweilen sogar der Tätlichkeiten. Dabei will sich der Porsche-Fahrer nur wehren. Wogegen, das verrät er im Interview mit Musikexpress/Sounds.
Hätte es angesichts eurer doch recht verschiedenen Physis nicht gereicht, ihm mal kurz mit deiner Stirn auf die Nase zu nicken? Mußtest du ihn unbedingt weiter treten und schlagen?
Wenn man seine Verletzungen ansieht, kann ja wohl kaum mehr als eine Kopfnuß passiert sein.
Raab schildert das anders. Also, habt ihr nach dem Kopfstoß noch ein bißchen gerauft?
Ich glaube nicht, daß einer wie er mit mir raufen kann. Ich wurde auch nicht von herbeistürmenden Ordnern zurückgerissen. Einer meiner Begleiter hat mich wachgerüttelt. Es paßt aber gut zu dieser seit über einem Jahr laufenden Hetzkampagne, jetzt zu behaupten, ich hätte ihn noch brutal zusammengetreten. Da wird versucht, ein Bild von mir zu verkaufen, das einfach nicht der Wahrheit entspricht.
Raab behauptet, du hättest ihn zuvor mehrfach öffentlich bedroht.
Ich habe in einem „Prinz -Interview gesagt, daß ich, nachdem ich damals in seiner Sendung war, wirklich schlaflose Nächte wegen der Art hatte, in der er mit mir umgesprungen war. Und ich hatte auch deshalb schlaflose Nächte, weil ich mich nicht gleich dagegen gewehrt habe. Das ist das einzige, was ich zu diesem Thema in den Medien gesagt habe. Ich kann darin wirklich keine öffentliche Bedrohung sehen.
Du warst 1994 in einer von Raabs er- sten „Vivasion°-Sendungen?
Raab lebt ja noch immer davon, daß ihm die Promoter der Plattenfirmen ihre Künstler hinschicken. Den Promotern ist es scheißegal, ob das gut ist für den Künstler, und ob es ihn weiterbringt. Sie haben nur die Aufgabe „Schaff‘ den Künstler ins Fernsehen“. Und dann schieben sie dich in Raabs Löwenhöhle, in der er auf dir rumtrampeln kann. Du sitzt in einer Sendung, und jemand springt auf dir herum, wie du dir das auf der Straße niemals bieten lassen würdest. Es gehören immer zwei dazu: Einer trampelt, der andere läßt sich trampeln.
Absolut. Aber als Künstler weißt du: Wenn ich den jetzt dotze, ist meine Karriere beendet.
Ist sie das wirklich?
Auf jeden Fall hast du Bedenken. Wir hatten Schulden gemacht, um unsere erste Produktion zu beenden, waren gerade dabei, die Schulden zu bezahlen und wollten auch ein bißchen leben und vielleicht auch die nächste Platte finanzieren.
Und jetzt sonnst du dich in dem zweifelhaften Ruhm, als erster Raab eine Lektion erteilt zu haben?
Ich würde mich wirklich gern als der Rächer der Entrechteten verkaufen, aber diese Sache ging nur ihn und mich was an. Allerdings kamen anschließend (nach dem Vorfall/Anmerkung der Redaktion) eine Menge Faxe und Anrufe von Kollegen mit positiven Reaktionen wie „Es war an der Zeit, daß sich einer mal wehrt“. Wenn Raab auf der Straße dem Falschen so blöd kommt, wie er das in den Sendungen mit seinen Gästen macht, könnte er ernsthaftere Verletzungen davontragen. Insofern ist er bei mir noch glimpflich davongekommen.
Trotzdem: Wer ein halbes Hemd wie Raab verprügelt, ist letztlich immer der Schwächere.
Es reicht nicht, diese Sache auf das simple Opfer-Täter-Schema zu reduGesprächspartner: Peter von Stahl
(das me/sounds interview)
zieren. Meine Reaktion war ja auch eine Art erfolgreicher Widerstand: Da hat jemand jetzt endlich verstanden, daß bestimmte Dinge ihre Folgen haben. Er hat mir „autsch“ gemacht, und jetzt weiß auch er, wie es ist, wenn es „autsch“ macht. Für mich ist das ein Mittel, mich auszudrücken: meine Kunst, ein Gespräch, wirtschaftliche Mittel oder eben körperliche Gewalt. Klar, daß man mit Gewalt keine Konflikte lösen kann. Aber in diesem Fall war es ein für mich sehr erfolgreiches Mittel, ihm meine Grenze aufzuzeigen.
Nur hat sich damit dein gewalttätiges Medien-Image, von dem du wegzukommen versuchst, weiter gefestigt.
Das ist ein Dilemma: Wenn ich ihm die Kopfnuß nicht gegeben hätte, müßte ich weiter damit leben, mich nicht gewehrt zu haben. Und jetzt muß ich mich statt dessen wieder gegen dieses Medien-Image wehren.
Wogegen wehrst du dich genau?
Gegen Disrespect. Und das ist keine platte Rap-Attitüde, sondern ein viel stärkeres Wort als „Respektlosigkeit“. Du kannst respektlos sein, dich dabei aber passiv verhalten. Disrespect dagegen ist ein aktives, aggressives Verhalten. Es gibt bestimmt Menschen, die diese Art, miteinander umzugehen, besser ertragen können als ich. Viele nehmen das gar nicht so wahr, aber ich kann dann nachts nicht mehr pennen.
Wäre Intelligenz nicht eine tausendfach schärfere Waffe gegen Respektlosigkeit als dumpfer Muskeleinsatz?
Das sehe ich auch so. Im Zeitalter der Atomwaffen ist eine Kopfnuß sicher bestenfalls ein Zeichen dafür, daß man kurz die Beherrschung verloren hat. Außerdem denke ich aber, daß ein intelligenter Beobachter dadurch auf Raabs Fehlverhalten aufmerksam gemacht werden kann, das diese Kopfnuß provoziert hat. Wer sich in den Medien als harter Junge feiern läßt, begegnet Leuten, die die ihm mal auf den Zahn fühlen. Natürlich gibt es Leute, die glauben den Medien, daß wir Jungs sind, die einen auf hart machen. Die begegnen dir dann auf der Straße und Dafür warst du sicher auch damals schon drei Köpfe breiter. Bist du selbst mal verprügelt worden?
Ja. Ich kann mich sehr gut daran erinnern.
Hattest du sicher verdient, die Prügel.
wollen wissen, wie hart du wirklich bist. Aber wer mich testen will, soll mich ruhig testen. Ich werde mich immer wehren. Egal womit. Mit meiner Kunst, mit Manpower von Leuten, die hinter mir stehen, mit Gewalt, mit Geld oder mit Intellekt.
Warst du in jungen Jahren das, was man ein wildes Kind nennt?
Eigentlich nicht. Aber wenn du mich jetzt unbedingt als wilden Ghetto-Rapper erleben willst, kann ich dich gern ein bißchen batschen.
So wie du in der Schule die Kleineren gebatscht hast?
Ich war selber immer der Kleinere, und es ging immer um mein Gerechtigkeitsgefühl. Zum Beispiel, wenn die Großen auf dem Pausenhof unseren Tennisball auf das Dach geworfen haben. Irgendwann muß denen dann mal einer sagen „Paß mal auf- das machst du nicht mit unserem Tennisball.“ Dann gibt’s ein bißchen auf die Fresse. Und er merkt, daß ich zwar zwei Jahre jünger bin als er, aber offensichtlich mehr Eier habe. Obwohl ich einen Kopf kleiner bin.
Nein,überhaupt nicht! Das war beim Fußballtraining. Auf dem Klo standen zwei ältere Jungs, es kam zu einem Wortgefecht. Ich hab als Kind schon eine große Fresse gehabt – und dann hab ich halt ein paar aufs Maul gekriegt. Hast du dich gewehrt? Nein. Ich dachte, es würde die Sache einfacher machen, mich nicht zu wehren.
Früher wurde auch nicht so gnadenlos zusammengestiefelt, wenn einer schon halb bewußtlos am Boden lag. Ich könnte so etwas nie tun, dafür hab ich ein viel zu weiches Herz. Man muß sich mit dem, was man tut, ja auch immer wohlfühlen. Vielleicht hab ich mich auch deshalb damals nicht gewehrt. Ich habe mir trotzdem lange Zeit Vorwürfe gemacht.mich nicht gewehrt zu haben. Auch wenn ich dann noch mehr aufs Maul bekommen hätte. Ich hätte ihnen gern deutlich gemacht, daß ich genauso weit wie sie gehen kann, obwohl ich viel mehr zu verlieren hatte. So ist das auch heute noch.
Vielleicht bist du ja nur einfach jener Typ Mensch, der Gewalt wie ein Magnet auf sich zieht, ohne aktiv etwas dafür zu tun.
Mein Partner Thomas H. zum Beispiel hat damit nie Probleme. Wenn ich an der Ampel stehe und mich einer anstarrt, kommen sofort die Aggros in mir rauf. Thomas sitzt daneben, und er sieht das gar nicht. Das ist ihm scheißegal. Ich wünschte, mir wäre das auch so egal. Dann hätte ich ein viel einfacheres Leben.
Was ist denn für Moses Pelham so schwer an einem Leben als der „Ice T. aus Rödelheim“?
Das Schwere daran ist, daß es (gemeint ist das oben erwähnte Image/Anmerkung der Redaktion) nicht stimmt. Wenn zum Beispiel Smudo von den Fantastischen Vier in seinen Interviews unsere Supporter der Klappmesserfraktion zuordnet und das selbst auch noch glaubt, ist er einfach nur doof. Ich glaube aber nicht, daß Smudo doof ist, also scheint doch eine Methode dahinterzustecken.
Ihr fühlt euch doch wohl als die Gangsta-Rapper des deutschen Sprechgesangs und füllt doch ganz gezielt die deutsche Ice T.-Lücke.
Das glaubst du doch selbst nicht. Das ist Bullshit! Die Wahrheit ist, daß ich einfach eine Kunstform benutze, um mich auszudrücken. In einem muß ich Smudo recht geben: Moses P. ist nicht blöd genug, sich für den deutschen Ice T. zu halten.
Anfangs hattest du einen Suzuki-Jeep, jetzt einen Porsche. Müßtest du nun nicht endlich den Ferrari wollen?
Ich hätte nichts dagegen, 1,25 Millionen Platten zu verkaufen. Ich fände es geil, aber ich muß es nicht haben… Den Verantwortlichen bei Tic Tac Toe zum Beispiel geht es wohl eher ums Geschäft. Jeder Taxifahrer kennt jetzt deren Namen. Mit Kunst hat das nichts zu tun, aber mit Pop. Und das hat super funktioniert. Ich ertappe mich dabei, Sympathien für diese Mädchen zu entwickeln. Es ist einfach so: Je mehr Scheiße man auf dich schmiert, um so enger stehen deine Supporter zu dir. Das siehst du bei uns, bei Tic Tac Toe oder auch bei den Böhsen Onkelz.
…deren Shirts du auch gerne in der Öffentlichkeit trägst.
Sie haben einen irren Solidarisierungseffekt bei ihren Supportern. Ich fühl deren Scheiße. Wenn da jemand ist, der weiß, was es bedeutet, sich wehren zu wollen, kann er gut nachvollziehen, worum es da geht.
Du willst uns doch nicht im Ernst erzählen, daß du dauernd angegriffen wirst?
Doch! In der Bäckerei.
Greift dich da der Bäcker an?
Nein, das ist nur ein Beispiel. Ich gehe in eine Bäckerei und sehe sofort diese Blicke, die sagen „Hey, du Penner, was willst du hier? Hier gibt es nichts geschenkt.“ Ich komme ständig in Situationen, in denen ich mich wehren muß.
Das scheint für Moses Pelham tatsächlich das Wichtigste im Leben zu sein.
Das größte Glück, das ich mir vorstellen kann ist, mich in wirklich jeder Situation wehren zu können.