Musikexpress-Top-Tour: Richard Ashcroft


Musste man einen modernen, leidenschaftlichen Rockstar zeichnen dieser Engländer könnte glatt Modell sitzen.

Regelrecht reizend war, wie sich Richard Ashcroft auf seiner letzten Tournee stets brav bedankte. Beim Publikum dafür, dass es überhaupt gekommen sei, wo er doch nicht mehr The Verve repräsentiere. – Das war ein Sprung ins kalte Wasser“, sagte er später, „das kann dich umbringen. Oder stärker machen.“

Ashcroft hat Vertrauen getankt. Vertrauen in sich selbst, in seine Melodien, in seinen Groove. Als „Messias of Rock’n’Roll“ pries ihn vor vier Jahren noch die britische Musikzeitung NME, und davon gibt es kein Wort zurückzunehmen. Wo Harmonien so inbrünstig zelebriert werden, da ist der Ausfallschritt ins Sakrale nicht weit. Früher tat er das gern barfuß, auf dicken Teppichen, die eigens auf der Bühne ausgelegt worden waren. Heute trägt er am liebsten bequeme Camper, aber auch damit sind von Richard Ashcroft keine Tanzschritte zu erwarten. Stattdessen ist Charisma bei ihm im Preis inbegriffen. Es ist einfach ein Unterschied, ob „Bittersweet Symphony“ von ihm oder einem Heinz-Rudolf Kunze intoniert wird. Ein Song übrigens, den der Sänger – im Gegensatz zu Oasis und deren größtem Hit „Wonderwall“ – noch immer im Gepäck hat: „Es gibt keinen Grund, das Lied nicht zu spielen“, sagt Ashcroft und fügt lächelnd hinzu: „Außer vielleicht, dass wir keinen Penny daran verdient haben.“

Nicht, dass es ihm darauf ankäme. Schon früher hat er gerne mit kostenlosen Freikonzerten für seine Kunst geworben. Von The Verves Auftritt mitten im brausenden Verkehr am New Yorker Times Square schwärmt er noch heute. Um jeglicher Routine zuvorzukommen, variiert er seine Songs live nach Kräften, denn: „Musik ist etwas Lebendiges. Verändert sich nichts, ist es etwa Totes.“

Vielleicht ist es das, was Ashcroft von anderen Solokünstlern unterscheidet: Die branchenübliche Eitelkeit mag zum Geschäft gehören – aber dass der Mann auch eine Message zu verbreiten hat, das kann er immer wieder glaubhaft machen. Das geht auf Platte und, wie bei Predigern üblich, besonders gut vor Publikum. Der Flughafen-Hotel-Bühne-Hotel-Flughafen-Alltag, an dem andere leiden und manchmal auch zerbrechen -Ashcroft macht er Spaß: „Eigentlich liebe ich dieses nomadische Leben. Und meistens posst es auch zu meiner Stimmung, dass Hotelzimmer oft so schrecklich deprimierend sind.“

Was also erwartet den Konzertgänger? Allemal ein leidenschaftlicher, berührender Abend. Zumal Ashcroft sich ja immer so nett bedankt. Als erwiesen wir ihm einen Gefallen – und nicht umgekehrt.