Mximo Park – Fünf vor Hund
Nach dem Flop ihrer letzten Platte steht für Maxïmo Park bei The National Health jetzt vieles auf dem Spiel. Doch die Band ist voller Zuversicht.
Paul Smith kommt zu spät zum Interview. Er musste noch sein Hemd bügeln. Da er kein Bügeleisen hatte, musste er es beim Zimmer-Service bestellen. Während er auf das georderte Glättgerät wartete, konnte er nicht unter die Dusche. Es zog sich also alles etwas. Paul Smith hasst es, zu spät zu kommen. Mit dem dritten Album seiner Band Maxïmo Park, Quicken The Heart, kam er 2009 zu spät, der Zeitgeist war weitergezogen. Vier Jahre nachdem das Debüt der Band, A Certain Trigger, allerorts als eine der wichtigsten Platte der Nullerjahre gefeiert wurde, war das Quintett aus Newcastle schon wieder out. Kritiken des Werks, mit dem die Band ihren Stammsound ausweiten wollte, fielen durchwachsen aus, Single-Hits blieben aus, in manchen Städten mussten die Tourstopps in kleinere Hallen verlegt werden.
Doch drei Jahre nachdem sie out waren, sind die Indie-Rocker auch schon wieder in, zumindest in Hipsterkreisen: Wie der britische „Guardian“ berichtete, feiern im angesagten Ostteil Londons vom Ironiewahn der Indie-Szene gelangweilte Teenager zu den Klassikern von Maxïmo Park und Bloc Party. „Du kannst Trends nicht kontrollieren“, sagt Smith, ein fast schüchterner Typ, der in krassem Gegensatz zu seiner fuchsteufelswilden Bühnenfigur steht. „Aber unsere Musik war immer schon von unverfälschter Aggression gekennzeichnet. Und vielleicht ist es das, was die Leute jetzt spüren wollen. Der Titelsong unseres neuen Albums The National Health beginnt so: ‚England is ill and it is not alone‘. Die Menschen entfremden sich, alles wird weniger greifbar. Daher kommt wohl der Wunsch nach Authentizität und wir waren immer authentisch.“
Maxïmo Park haben den Glauben an sich zurückerlangt. Nach ihrer Bauchlandung traten sie aus dem Rampenlicht. Das Vertragsverhältnis mit ihrer damaligen Plattenfirma Warp wurde in beidseitigem Einvernehmen beendet. Smith veröffentlichte ein fragiles, von der Öffentlichkeit kaum beachtetes Solo-Album, Margins, der Rest der Band konzentrierte sich aufs Private. Erste Versuche, wieder gemeinsam an Songs zu arbeiten, scheiterten. Bald lag sogar die Trennung auf dem Tapet. Smith: „Wenn du dich bei einem Song fragst: ‚Ist der gut genug?‘, dann ist er es wahrscheinlich nicht. Und warum solltest du weitermachen, wenn du nichts Gutes mehr zustande bringst?“ „Das Problem war, dass wir nicht mehr wussten, wer wir sind“, sagt Gitarrist Duncan Lloyd. „Wir bastelten an Elektrostücken, an Singer-Songwriter-Liedern – aber nie standen wir alle fünf auch nur hinter einem dieser Demos.“ Nach anderthalbjährigem Experimentieren und viel Frust habe man sich dann auf die Kernkompetenzen der Band konzentriert: „Direkte, schnelle Songs voller Hooks“, sagt Smith. „Und auf einmal ging’s. Dennoch ist dabei unsere vielseitigste Platte herausgekommen.“
Zumindest sieht er das so. Von außen betrachtet hält sich die Vielseitigkeit in Grenzen. Bis auf Ausnahmen, wie dem getragenen Ein-Minuten-Opener „When I Was Wild“ und dem Wiegenlied „Unfamiliar Places“, ist The National Health keine Überraschung, innen wie außen: Der alte Schriftzug, den man bei Quicken The Heart ausgesetzt hatte, ist wieder da, Smiths kurzzeitig zur Schau getragener Vollbart ist wieder ab. Maxïmo Park sehen wieder so aus und klingen wieder wie Maxïmo Park. Dafür sorgte auch die Rückkehr von Gil Norton, Produzent ihres Bestsellers Our Earthly Pleasures. Smith: „Wir waren uns so lange unsicher, aber auf einmal hatten wir diese 13 Stücke, mit denen wir uns alle identifizieren konnten. Als dann Gil – bestimmt kein Opportunist – hinzukam und ihm die Songs gefielen, wussten wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“ Dennoch entschied man sich für den britischen und den deutschen Markt für unterschiedliche Leadsingles: Im UK erscheint „Hips And Lips“, hierzulande „Write This Down“. Eine übliche Praxis – die allerdings niemand vorgeschlagen hätte, wäre die Band mit Singlematerial vom Schlage eines „Our Velocity“ zurückgekommen. Die Band geht auf Nummer sicher. Doch was, wenn sich das In-Out-Spiel fortsetzt? Nach ihrem Hoch unter den Londoner Hipstern wäre als nächster Zug wieder ein Aufenthalt im Out dran. Smith: „Natürlich wäre ich enttäuscht, wenn die Platte keinem gefällt. Aber wir haben im Lauf unserer Karriere genug Zuspruch erfahren. Wenn wir demnächst vor einem Mann und einem Hund spielen sollten, wäre das in Ordnung für mich.“
Albumkritik S. 88