Nach dreijähriger Pause meldet sich die Zürcher Formation Mona Lisa Overdrive mit einer aufwendigen Produktion zurück
Vor drei Jahren erschien das Debüt von Mona Lisa Overdrive, die damals noch als Quintett und mit einem Sound zwischen Metal und Hardcore unterwegs waren. Kurz darauf warfen Bassist und Gitarrist das Handtuch. Sänger Michi Sauter nutzte die unfreiwillige Pause und lernte, selbst den Baß zu zupfen: „Als die Band wieder zusammenkam, mußten wir feststellen, daß sich die Strukturen ziemlich verändert hatten. Wir waren nur noch zu dritt“, erklärt Sauter, „da kann man halt nicht mehr so richtig bombastischen Heavy Metal-Hardcore spielen. Aber es liegt viel daran, Musik dramatisch zu inszenieren.“ In der Folge also wurden alte Metalsongs verabschiedet, und eine völlig neue Mona Lisa machte sich zur Entpuppung bereit.
Und weil sie es diesmal wirklich wissen wollten, zogen sie einen erfahrenen Geburtshelfer zu Rate. Dieser Mann wurde in Produzent Jonathan Burnside gefunden, der schon die Melvins, Depeche Mode und Faith No More betreut hatte. „Grundgedanke war, daß wir das Geld, das wir erhielten, für ein teures Schweizer Studio ausgeben konnten.“ Nach einigen unfreundlichen Abschweifungen von wegen Preis-Leistungsverhältnis der heimischen Tontempel kommt Sauter aufs Thema zurück: „Wir dachten, wir könnten es auch genau umgekehrt machen.-Viel Geld für den Produzenten ausgeben und für das Studio etwas weniger.“ Also reisten MLO kurzerhand nach Prag, wohin es den amerikamüden Burnside verschlagen hatte. In der Zwischenzeit hat er die Lokalhelden produziert und ist in diversen Studios zu Hause. Im Fall von Mona Lisa Overdrive befand sich das „ein bißchen außerhalb in so einem Original-Plattenbau. Dort draußen ist es schon sehr schön, weil es dort Häuser gibt, in denen sich 500 Wohnungen befinden“, schwärmt Sauter. „Außer diesen Häusern gibt es eigentlich nichts. Dafür befindet sich unten in jedem Haus ein Pub, das bis morgens um vier offen hat.“ Die euphorischen Worte über sozialistische Baukunst sind durchaus ernst gemeint: „Prag ist ein Scheiß. Es ist schon extrem schön, aber in der Stadt hat es soviel abendländische Kultur“, daß einem gestandenen Rocker offensichtlich speiübel wird.
Abgesehen von solchen kulturellen Zwischenfällen entwickelte sich die Zusammenarbeit mit Burnside bestens. „Er hatte viel zu große Freude an der Platte, als daß bei uns der Gedanke hätte aufkommen können, wir wären kleine Fische für ihn.“ Aufgenommen wurden Songs im klassischen Drei-Minuten-Format. Ihre Herkunft aus wilden und rauhen Tonbereichen können sie nicht verleugnen, und „Painkiller“, mit seinem überdrehten Gesang, läßt noch eine Ahnung früherer Zeiten zu. Obwohl nicht alle Ecken und Kanten wegproduziert wurden, glänzen die Songs mit viel Melodie, mit eingängiger Schönheit beim zweiten Hören. Treibender Bass, sattes Schlagzeug und viel abwechslungsreiche Gitarre – Burnsides Fachgebiet. So wurde“Wild & Wet“ zu einem Album, das die dreckige Offenheit und Rock’n’Roll-Attitüde der alten Mona mit der Sensibilität von Alternative-Gitarren der neuen Lisa verbindet. Eine wunderbare Mischung-falls sie nicht mit Overdrive an engstirnigen Indie-Kids vorbeirauscht.
Die Angst, wieder nur im Untergrund herumzudümpeln, kennt Sauter zur Genüge. „Vor dem Einschlafen kommen einem schon fürchterliche Gedanken, aber man glaubt halt daran, daß das jetzt eine ‚lässige‘ Platte ist“ – Sauter hält’s mit dem Prinzip Hoffnung. „Aber soweit waren wir in unserer Karriere ohnehin noch nie: Wir durften eine teure Platte mit einem amerikanischen Produzenten aufnehmen.“ Das ist an sich schon ein Erlebnis. Und der Angst, mit dem eigenen Sound zu spät zu kommen, begegnet Sauter mit einem schlagenden Argument: „Was wir machen, ist natürlich zeitlos.“ Allerdings schickt er ein fettes Grinsen hinterher: Rock’n’Roll-Dreams revisited, soll das wohl heißen.