Natur als Kunstform


Von Schöneweide in die Welt hinaus: Der künstlich natürliche, der Zeit entrückte Trip-Pop der Berliner Super 700 verlangt nach landschaftlicher Weite.

Drei Menschen, eine Wand. Der Ort, an dem die beiden Bandgründer, die albanischstämmige Sängerin Ibadet Ramadani und der Bassist Michael Haves, über ihr siebenköpfiges Bandwunder Super 700 erzählen, ist nicht etwa ein schlecht besuchtes Programmkino. Die Mschatta-Fassade im Berliner Pergamonmuseum ist ein Relikt eines nie fertig gestellten jordanischen Wüstenpalastes aus dem siebten Jahrhundert. Die Ortswahl als Inszenierung des Bedrohlichen, ganz wie der cineastisch-dramatische Pop auf Super 700s zweitem Album LOVEBITES? Ibadet, in der Band vom Chorgesang ihrer Zwillingsschwestern Ilirjana und Albana in Szene gesetzt, hockt sich auf eine Marmorbank und flüstert fast:

„In Museen schwirren Geister von wahnsinniger Kraft umher, wie auf einer zeitlosen Reise. Ob Kunst, Natur oder ein Geschehen: Als Band inspiriert uns alles, was uns erstaunen lässt.“ Michael Haves, studierter Kontrabassist, ergänzt: „Man kommt hier nicht in die Gefahr, sich selbst zu wichtig zu nehmen.“

Super 700 interessieren künstlerische Wege und ihre Ziele mehr als konkrete Gegebenheiten, sagen sie. Für die Arbeit an LOVEBITES nahmen sich die Wahlberliner fünf Wochen Auszeit in einem Dorf in Südfrankreich, ohne Internet und Großstadttrubel. „Ich sehne mich nach Weite“, erklärt Ibadet Ramadani und bewundert die in die Palastmauer gemeißelten Tier-Reliefs, „und nach landschaftlicher Ruhe. Seit Frankreich kitzelt die Natur wieder an den Fußsohlen. “ Haves zeigt auf seinem Handy neblige Bewegtbilder von Ibadet auf einem zugefrorenen See in der Uckermark. Dort haben Super 700 gerade das Video zu ihrer zweiten Single „S.T.T.S.M.C.“ („Somebody Tried To Steal My Car“) gedreht, einer bild- und tongewordenen Symbiose von Kunst und Natur, wie sie LOVEBITES im Wesen ausmachen. „An natürlicher Schönheit beeindruckt uns, dass man sie auch künstlich erschaffen kann“, sagt Haves. Ihr Debüt nahmen Super 700 noch mit dem in Berlin lebenden Strokes-Produzenten Gordon Raphael auf; für den wi nterwarmen Sound von LOVEBITES zeichnet nun Rob Kirwan verantwortlich, „die rechte Hand unseres Weltlieblingsproduzenten Flood“, wie Haves sagt. Beide haben sie in ihrem Proberaumkomplex, einem leeren Rundfunkhaus in Berlin-Schöneweide, kennengelernt, sind aber weit von Personenkult entfernt.

„Wie gesagt: Uns interessieren kreative Wege, keine persönlichen Biografien“, sagt Michael Haves. Museumspersonal passiert mit misstrauischem Seitenblick die nun schon längere Zeit belagerte Besucherbank. Ibadet Ramadani wedelt wie zur Ablenkung die Hand in Richtung der Festungsmauer. Ob ihre Musik Zuflucht oder Konfrontation sei, fragen wir. Sie entscheidet sich für Letzteres.

Albumkritik ME 3/09

www.super700.de