Neu auf Vinyl
Jahrzehntelang nervten die Meinungsführer, die in Bob Marley, Eric Clapton und der ehemaligen Blues-Rock-Band Fleetwood Mac die wichtigsten musikalischen Figuren des Jahres 1977 erkannt haben wollten, mit Vorhaltungen über die Großartigkeit des Albums Rumours (Warner). Wesentliches Argument: das meistverkaufte Popalbums aller Zeiten (über 40 Millionen weltweit). Nach dem Rückzug der ehemaligen Meinungsführer ins Private darf Rumours durchaus neu entdeckt werden. Als ein perfektes Soft-Pop-Rock-Album („Go Your Own Way“, „Don’t Stop“, „Dreams“, „Oh Daddy“), das vordergründig zwar die Paarbeziehungsprobleme innerhalb Fleetwood Macs behandelt, in der Retrospektive aber viel mehr bedeutet. Rumours, im Februar 1977 erschienen, markierte gleichberechtigt mit der im selben Jahr ausgebrochenen Punk-Revolution das Ende der Hippie-Ära. Die Gemeinschaftsdroge Cannabis war mittlerweile von der Egodroge Kokain abgelöst worden, die Hippies waren nicht nur damit beschäftigt, sich die Nasenscheidewände zu verätzen, sondern auch sich selber aufzufressen. Zum „Record Store Day“ wurde Rumours in zwei analogen Formaten wiederveröffentlicht: als auf 45 abzuspielende Doppel-LP sowie als Einzel-LP.
Mit ihrem dritten Album Third (Columbia/Music On Vinyl/Cargo) hatten Soft Machine im Jahr 1970 ein paar Fehlurteile ausgeräumt. Zum Beispiel, dass eine Band „immer“ ihrem Stil „treu bleiben“ muss und dass eine (Psychedelic-)Rock-Band keinen Jazz spielen kann. Die vier LP-Seiten-langen Stücke, die Mike Ratledge (keyb), Robert Wyatt (dr), Hugh Hopper (bg) und Elton Dean (sax) hier präsentierten, waren weiter als vieles, was anerkannte Jazzmusiker in jener Ära – mit Ausnahme von Miles Davis – zustandebrachten. Auf diesem Album fand die Expressivität des Free Jazz, die brodelnde Rhythmik des elektrischen Miles Davis, die Introspektion des spirituellen Jazz der späten Sechziger Jahre und mittels Tape-Manipulationen und frühen elektronischen Instrumenten hergestellte Psychedelia zusammen. Wer als Rockmusiker wollte, konnte nach Soft Machine alle Hemmungen fallen lassen. Third kommt im originalgetreuen Reissue als Doppel-LP auf 180-Gramm Vinyl.
Von Soft Machine zu Vessels ist der Weg gar nicht so weit. Helioscope (Make My Day Records/Alive), das aktuelle und zweite Album des britischen Quintetts, gefällt sich in einer Art Neo-Post-Rock, mehr oder weniger komplizierten Frickeleien, dem Spiel mit der Dynamik, das schon mal metaleske Vulkanausbrüche ergeben kann. Langweilig wird es nur dann ein bisschen, wenn Gesang ins Spiel kommt, der die Band zu einer gewissen Indie-Beliebigkeit zu zwingen scheint. Die Doppel-LP wird mit liebevollem Coverartwork und als 180-Gramm-Vinyl ausgeliefert.
Caetano Veloso, musikalischer Neuerer, Mitbegründer der Tropicalia-Bewegung, jener Strömung, die Ende der 1960er Jahre die nachhaltige Renovierung der brasilianischen Musik unter Berücksichtigung sozio-politischer Themen betrieb. Das Debütalbum Caetano Veloso (Lilith Digalog/Cargo) aus dem Jahr 1968 verbindet traditionelles Songwritertum mit sanften bis krassen Psychedelisierungen und avantgardistischen Einschüben. Hier ist alles erlaubt: ein Streichquartett, Hammondorgeleien, Psych-Rockgitarren, Bossa Nova und westlicher Pop-Schlagerkitsch – in anderen Worten: Dieses Album ist ein wahres Wunderwerk. Der LP-Wiederveröffentlichung liegt die CD in einer Papierhülle bei. Aus berufenem Munde haben wir erfahren, dass die Beilage einer CD zu einer LP weniger kostenintensiv ist als ein Downloadgutschein, was einiges über den Wert des Mediums CD aussagt.
Weitere Neuerscheinungen:
Arctic Monkeys – Suck It And See
Bachelorette – Bachelorette
Battles – Gloss Drop (2 LPs)
The Cramps – Songs The Lord Taught Us
The Cramps – Psychedelic Jungle Death Cab For Cuties – Codes & Keys
Bob Dylan – Brandeis University 1963
Fake Problems / The Gaslight
Anthem – Songs For Teenagers (7″)
William Fitzsimmons – Gold In The Shadows
Kitty Daisy & Lewis – Smoking In Heaven (2 LPs)
Kitty Daisy & Lewis – Smoking In Heaven (acht 10-Inches)
Lady Gaga – Born This Way (2 LPs)
Let’s Wrestle – Nursing Home
Lydia Lunch & Philippe Petit -In Comfort EP (12″)
Of Montreal – Thecontrollersphere“ (12″)
Soft Machine – Softs
Susanne Sundfør – The Brothel
The Wave Pictures – Beer In The Breakers
Young Rebel Set – Curse Our Love