Millenial-Sound

Neue Nostalgie: Wie RIN, The 1975 oder Bring Me The Horizon die 2000er zurückholen


Die fulminante Reunion von My Chemical Romance war erst der Anfang: Wir zeigen Euch, welche Künstler den Millenial-Sound reaktivieren.

Endlich angekommen in der Postmoderne, verliert man in der musikalischen Popkultur schnell mal jegliches Zeitgefühl. Wenn etwa ein Kurt Cobain Ende der 80er den großen Einfluss der Beatles auf sein künstlerisches Schaffen betont, ordnet man den experimentellen Classic Rock der Briten und die ungleich brachialere Grunge-Rebellion von Nirvana instinktiv schnell als zwei zeitlich weit auseinanderliegende Rock-Epochen ein. Dass Künstler sich nach dem 80er- und 90er-Revival der vergangenen Jahre nun dem Sound der 2000er annehmen, ist daher nur naheliegend – auch, wenn diese neue Nostalgie wegen der Verortung der Gegenwart und der Referenzmusik im 21. Jahrhundert auf einige Irritationen stößt. Aber 2002 geborene Kinder werden dieses Jahr schließlich auch schon volljährig. Wir stellen Euch die treibenden Pop-, Rock- und Rap-Kräfte vor, die Nostalgie nach dem Beginn unseres Jahrtausends wecken. 

The 1975

Die Briten sind unter anderem berühmt und umstritten für ihre vielseitigen Adaptionen aus den vergangenen 70 Jahren Popmusik – so sind sie auch eine der ersten Bands aus dem Mainstream, die die 2000er als reiche Inspirationsquelle entdeckten. So ließ sich Frontmann Matty Healy im Video zu „TOOTIMETOOTIMETOOTIME“ eindeutig vom Justin Timberlake zu späten N’Sync-Zeiten inspirieren. Eine noch eindeutigere Hommage lieferten The 1975 jedoch mit ihrer Vorabsingle „Me & You Together Song“ aus ihrem kommenden Album NOTES ON A CONDITIONAL FORM: Das Musikvideo hierzu kombiniert visuell als auch gestalterisch den Stil einer 2000er-Sitcom und die DIY-Ästhetik der Clips von Pop-Punk-Band wie Blink-182, die im besagten Jahrzehnt den Höhepunkt ihrer Karriere begingen.

The 1975 – „Me & You Together Song”

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The 1975 – „TOOTIMETOOTIMETOOTIME”

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 RIN & Shindy

Galt RIN seit seinem Debüt EROS als einer der frühen Adaptierer des Autotune-geprägten Südstaaten-Sounds, hört man seinem aktuellen Album VINTAGE den großen Einfluss der 2000er deutlich an: Die Vorabsingle „Vintage“ steckt Jay-Zs „Dirt Off Your Shoulder“ von 2003 in ein zeitgemäßes Soundkostüm, die Artworks könnten aus dem Computerspiel „Die Sims 2“ stammen und „Keine Liebe“, seine Adaption von Echts „Du trägst keine Liebe in dir“ mit Weggefährte Bausa, entwickelte sich sogar zu einem von Rins erfolgreichsten Songs.

Was wurde eigentlich aus… Echt?

Auch deren Bietigheim-Bissinger Lokalmatador Shindy zollt der Post-90s-Ära des US-Raps Tribut: Sein aktuelles Album DRAMA ist durchzogen von Querverweisen zu DMX oder Timbaland. Die Hitsingle „Nautilus“ etwa samplet nicht nur 50 Cents „In Da Club“, sondern wartet auch mit dem breitbeinigen Goldketten-Poser-Rap auf, den der New Yorker 2003 mit GET RICH OR DIE TRYIN‘ in den Mainstream katapultierte.

RIN – „Vintage”

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Jay-Z – „Dirt Off Your Shoulder”

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RIN – „Keine Liebe” Feat. Bausa

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Echt – „Du trägst keine Liebe in dir“

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Shindy – „Nautilus“

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Bring Me The Horizon

Obwohl wenige den modernen Metalcore in den Jahren um 2010 so geprägt haben wie die Szene-Boyband aus Sheffield, kehrten sie nach früher Deathcore-Hysterie und einem zwischenzeitlich rundum stimmigen Metalcore Anfang des Jahrzehnts 2015 zurück zu den Klängen ihrer Jugend: Ihr fünftes Album THAT’S THE SPIRIT kokettierte nicht nur hörbar mit poppigem Alternative, sondern nahm sich auch dem elektronisch geprägten Nu-Metal der 2000er an, den man sonst von Bands wie Korn und Linkin Park kennt. Auf dem Nachfolger AMO arbeiteten sie gar mit fiebrigen Trance-Klängen, die vor etwa 20 Jahren die Blütezeit ihrer Popularität erlebten.

Die leicht unbeholfene Versuche von Eminem auf seinem durchwachsen rezipierten Album REVIVAL von 2017, Rap-Rock zu reaktivieren, scheiterte jedoch aufgrund einer antiquierten Beat-Produktion – Nostalgie funktioniert wohl nur, wenn Künstler die Referenzzeit organisch in den soundästhetischen Zeitgeist der Gegenwart einbinden.

Bring Me The Horizon – „Throne”

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Bring Me The Horizon – „Nihilist Blues”

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Eminem – „In Your Head”

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Ariana Grande

Die US-Sängerin avancierte Anfang des vergangenen Jahres mit ihrem Album THANK U, NEXT zwischenzeitlich zum größten Popstar der Welt, die gleichnamige Single brach einen YouTube-Rekord und die Eine-Milliarde-Streams-Marke bei Spotify. Der zeitgemäße Sound des Songs trifft im Video auf eine umfassende Hommage an 2000er-Girl-Kultur: Das Musikvideo zitiert sich durch Teen-Klassiker wie „Natürlich blond“, „Mean Girls“ und „30 über Nacht“ und erinnert in seiner quietschbunten Bildsprache an den überzogenen Kitsch der „Aughts“. Lindsay Lohan und Britney Spears lassen grüßen.

Ariana Grande – „thank u, next”

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 Emo-Rap

Lil Peep im Highline Ballroom am 31. Oktober 2017 in New York City

Die gefühlsbetonte, alternative Spielweise von HipHop brachte vor einigen Jahren die Emo-Vibes der 2000er zurück, Pop-Punk-Gitarrensamples inklusive: Künstler wie Lil Peep sampelten sich durch Underoath, Brand New und Death Cab For Cutie. Kürzlich coverte Rapper Machine Gun Kelly mit Blink-182-Drummer Travis Barker sogar Paramores Alternative-Rock-Hit „Misery Business“ von 2007, es folgte eine Akustik-Verson von Oasis‚ „Champagne Supernova“ mit Yungblud – selbstgedrehte YouTube-Fancover wurden schließlich auch in den späten 2000ern groß. Und das Artwork von DEATH RACE FOR LOVE, dem letzten Album des Ende 2019 verstorbenen Emo-Rappers Juice WRLD, ziert ähnlich wie bei RIN ein unverkennbar nach dem Vorbild von Playstation-2-Spielen gestaltetes Artwork.

Lil Peep – „Hellboy”

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Machine Gun Kelly & Travis Barker – „Misery Business”

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Juice WRLD – „Fast”

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