Neues Album mit prominenten Gästen aus aller Welt: Andreas Vollenweider zeigt sich von seiner anderen Seite.


Saftige Weiden, glückliche Kühe, blauer Himmel, ein laues Lüftchen über dem See – keine Frage, das Züricher Oberland ist die perfekte Petrischale zum Gedeihen barocker, lebenspraller Figuren. Hier, direkt am Ufer des Zürisee. wuchs und gedieh auch die erstaunliche Karriere des Harfenspielers, Multiinstrumentalisten und Weltmusikregisseurs Andreas Vollenweider, der seit 1980 insgesamt fast zehn Millionen Platten verkauft hat. Doch das Barocke in der Musik – so vollendet verziert und klug konstruiert es auch sein mag – trägt immer auch das Gift des erstickenden Perfektionismus, der vollfetten Völlerei in sich. Nachdem Vollenweiders Musik mit seinem letzten Album („Kryptos’71997) in ihrer schieren Opulenz den gefährlichen Zustand einer kritischen Masse erreicht harte, war es für den Harfenisten aus der Schweiz höchste Zeit, eine musikalische Weight-Watchers-Runde einzulegen: „Ich habe eben die Veranlagung, alles immer üppiger und komplexer machen zu wollen. Dazu stehe ich noch immer, aber es gibt auch eine andere Seite von mir – und der wollte ich endlich mal zu ihrem Recht verhelfen.“

Diese andere Seite ist der Musiker in Vollenweider, der – im Gegensatz zu dem Komponisten und Klangmeister – einfach mal wieder gemeinsam mit ein paar Kollegen ohne große vorherige Festlegung drauflos spielen wollte. Das Ergebnis heißt „Cosmopoly“. Vollenweiders neues Album ist ein Pol der Ruhe angesichts der über den Hörer hereinbrechenden Schallereignisse früherer Alben: „Ich habe den musikalischen Ernährungsberater gespielt und mir in dieser Funktion selbst eine Diät verordnet. Ich wollte mich selbst herausfordern: Bin ich in der Lage, mal wieder etwas zu machen, was richtig schnell geht?“ Es klappte: Bis auf drei Tracks sind alle 17 neuen Stücke direkte Mitschnitte freier Improvisations-Sessions mit diversen Musikerkollegen aus aller Welt, die Vollenweider in sein digitales Heimstudio am Zürisee eingeladen hatte: Bobby McFerrin, der Jazz-Pianist Abdullah Ibrahim, Milton Nascimento aus Brasilien, der armenische Duduk-Spieler Djivan Gasparyan. der Posaunist Ray Anderson oder der galizische Dudelsackspieler Carlos Nünez – sie alle wurden von Vollenweider zum Duett in den Aufnahmeraum gebeten: „Die neue Technik hat es mir ermöglicht, alles aufzunehmen, was passierte. Wenn wir zur Tür hineingekommen sind, habe ich den Aufnahmeknopf gedrückt und danach alles aufgenommen – Musik, Tee trinken, reden, Besprechungen. Abdullah Ibrahim zum Beispiel kam an und setzte sich ans Klavier. Ich habe ihn gefragt, ob er eine bevorzugte Tonart hat, aber er meinte, ich solle einfach anfangen – und schon lief es.“ Die eigentliche Arbeit kam erst nach den lustvollen Sessions: Vollenweider mußte sich durch Hunderte von Aufnahmestunden hören, um für das Abum die jeweils spannendsten Musikmomente herauszufiltern. In entspannter Atmosphäre, versteht sich – passend zur Gelassenheit, die der Harfenist auf der Gartenbank seines Seegrundstückes ausstrahlt: „Wenn wir politisch, philosophisch und menschlich bei der ersten Begegnung versuchen würden, den größten gemeinsamen Nenner zu finden, wären wir andere Menschen in einer anderen Welt. Cosmopoly‘ ist ein offenes Spiel, bei dem alle gewinnen. Und der Hörer soll der Hauptgewinner sein.“ Vollenweider ist mit der ganzen Kraft seiner barocken Erscheinung ein überzeugter Vielharmoniker: „Früher oder später tritt einer dem anderen auf den Fuß. Der Konflikt, die Disharmonie, kommt von selbst. Darum müssen wir nicht besorgt sein. Darum ist es besser, sich auf die Harmonie, das Positive zu konzentrieren. Damit wir. wenn das Böse kommt, aus der Reserve schöpfen können und nicht blind zurückbeißen müssen.“