Neues Cro-Album: Wie TRIP Daft Punk, Tyler und Tame Impala in den Deutschrap bringt


Psychedelic, Pop-Punk, House: So vielfältig wird das neue Cro-Album TRIP.

Nach einer Zeitspanne von etwa fünf Jahren, in denen sich gefühlt mindestens fünf Cro-Hits permanent in der Dauerschleife des hiesigen Formatradios befanden, erlangte der Stuttgarter 2017 auf TRU. mit Cloud Rap und progressiven Bon-Iver-Soundexperimenten einen Sonderstatus im deutschen HipHop. Seitdem hat Carlo Waibel musikalisch oft ins Schwarze getroffen, legte auf „1975“ mit Damals-Newcomer Majan und deren zurückgelehntem Mumble-Rap und der träumerischen Post-Malone-Hook etwa einen Sound an den Tag, den hierzulande nur wenige auf diesem Level produzierten. Ende April erscheint mit TRIP sein erstes Album nach vier Jahren. Wir werfen einen Blick darauf, was musikalisch auf uns zukommt. Denn noch mehr denn je ist klar: Klassischen HipHop sollte man von Cro nicht erwarten.

Zurück in die Zukunft

Das brüchige Gitarrenriff im Intro der ersten Vorabsingle „Fall auf“ erinnert in seiner kaputten Verzerrung eher an den Emo-Klassiker „In Circles“ von Sunny Day Real Estate. Auf TRIP ist Cro aber nicht zum Pop-Punk-Nostalgiker geworden, vielmehr spricht der Albumtitel für sich: Sein viertes Album ist eine wilde Reise durch die vielfältigsten musikalischen Trends der zurückliegenden 30 Jahre. Damit eckt man an, eine solche künstlerische Freiheit erschafft aber auch ungeahnte kreative Möglichkeiten, wie sein Feature-Gast Badchieff darlegt: „Hab akzeptiert, nicht akzeptiert zu sein/Die ganze Welt ist mein.“ Auch, wenn dieses Außenseiter-Tun angesichts von fast 4 Millionen monatlichen Spotify-Hörer*innen etwas inszeniert wirkt.

Cro feat. Badchieff – „Fall auf“:

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„Endless Summer“ dagegen erinnert mit seinem trottenden, fiebrigen Lo-Fi-Funk an Vordenker Tyler, The Creator. Die Frage stellt sich dennoch, ob der Federschmuck, den Cro im Musikvideo und dem Artwork trägt, im Jahre 2021 noch angebracht ist. Doch als ob die Kontraste nicht schon hart genug wären, liefert „Hoch“ eingängige Beats und gestochen scharfe, glasklare Vocals über das Aufstehen nach einem Schicksalsschlag, auf dem Cro auch seiner Fähigkeit als Lyriker wieder mehr Raum gibt: „Man fährt die Liebe in ’nem schicken Wagen an die Wand und merk’s nicht/Was für’n beschissenes Geräusch, wenn dein Herz bricht.“ Der schwelgerisch-optimistische Gospel-Chor in der Hook dürfte außerdem stark von Kanye Wests Zusammenarbeit mit dem Sunday Service Choir beeinflusst sein.

Cro – „Endless Summer“:

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Cro – „Hoch“:

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Der vielleicht experimentellste Moment aber passiert auf „LMF2“: Dessen Musikvideo ist mit seiner kunterbunten Visualisierung eines LSD-Trips eine einzige Reizüberflutung und erinnert gemeinsam mit dem rohen, stampfenden Band-Arrangement an die goldenen Tage des Psychedelic Rocks – auch, wenn die Zeile „Die ganze Welt hat Angst, allein zu sein/Setzen Masken auf, um zu gefall’n“ nach einem Jahr Pandemie eine ganz neue Ebene bekommt.

Cro – „LMF2“:

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One More Time

Und als hätte Cro es geahnt, veröffentlichte er mit „Alles Dope“ den tanzbarsten Song des Albums, in dem er mit retrofuturistischem Helm und Four-To-The-Floor-Beat sowohl visuell als auch musikalisch Daft Punk zollt, gerade einmal eine Woche, bevor die French-House-Pioniere nach 28 Jahren ihre Trennung verkündeten. Was für ein Timing. Eine weitere Hommage dürfte das an Tame Impala erinnernde „dich“ mit seinen psychedelischem Fiebertraum-Instrumental sein. Auch da orientiert sich Cro eher an den Vereinigten Staaten: Im Gegensatz zu seinen deutschsprachigen Kolleg*innen haben Künstler wie A$AP Rocky und Tyler, The Creator die australische Psychedelic-Rock-Sensation Tame Impala schon seit Jahren auf dem Schirm, was bereits für einige Samples und Produktionen des Masterminds Kevin Parker gesorgt hat. Ein ähnlicher Revival-Bezug prägt auch „Smooth“, dessen Motown-Anleihen in den vergangenen Jahren vor allem durch Bruno Mars populär wurden. Aber auch Carlos Interpretation kann sich hören lassen: Vocoder, funky Bass, „Sie ist cool/Sie ist nice/Du und ich allein“.

Cro – „Smooth“:

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Cro – „Alles dope“:

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Heartbreak ohne 808s

Thematisch geht es auch auf TRIP vor allem um Girls, Girls und Girls. Nach einer Sexismus-Diskussion im Zuge seiner Ausladung vom Campus-Festival Bielefeld vor drei Jahren geht Cro diesen Weg aber unbeirrt weiter. Ob etwa das Musikvideo zu „Alles dope“ Frauen auf Oberflächlichkeit reduziert oder es vielmehr eine Verneigung vor dem weiblichen Körper ist, muss hier jede*r selbst entscheiden. Fest steht: Trotz vermeintlicher thematischer Flachheit ist das Verliebt-Sein nicht nur in den jüngeren Jahren auch im deutschen HipHop im Mainstream angekommen, seit Drake gehört das Singen über die eigenen Gefühlsduseleien eigentlich schon zum guten Ton im Rap. Und außerdem wird die Musik auf TRIP voraussichtlich eh viel mehr zu sagen haben.

Hey Cro, bitte lass das mit dem Pascha-Pop!

Cros viertes Album TRIP erscheint am 30. April 2021.