New Order


Der Weg, den Bernard Albrecht und seine Freunde seit nunmehr gut vier Jahren gemeinsam gehen, ist gezeichnet von größten Erfolgen und Katastrophen. Und was immer mit ihnen geschah, es geschah überraschend, als sie 1979 unter dem Namen Joy Division ihre erste LP im schlichten, schwarzen Cover veröffentlichen, war ein neuer Stil geboren, der Factory-Stil, benannt nach dem experimentierfreudigen Label von Joy Division, das nicht nur in der Musik, sondern auch in Sachen Covergestaltung, Publicity-Arbeit und Bühnenstyling neue Wege ging.

UNKNOWN PLEASURES das erste JoyDiv-Werk, war aber auch in außermusikalischer Beziehung eine Sensation: Nie zuvor hatte ein unabhängiges Album so viel verkauft wie diese Platte- Joy Division waren der große Kult der New-Wave-Zeit – und dieser Kult überschlug sich, als, geradezu imagegerecht, Ian Curtis, der charismatische Sänger der Band, sich wenige Tage vor dem Start einer US-Tour erhängte.

Ein zweites JoyDiv-Album und ein Live-Doppelalbum waren noch vor dem nie ganz geklärten Selbstmord aufgenommen worden und profitierten von dem Underground-James-Dean-Mythos.

Dann unternahmen die Hinterbliebenen den schwierigen Versuch weiterzumachen. New Order nannte sich das Trio, zu dem später noch eine Keyboard-Spielern stieß. Bernard Albrecht, der jetzt im Mittelpunkt stand, erwies sich als noch scheuer und zurückgezogener als Curtis. Von der Band existierten kaum Fotos, Live-Auftritte waren selten, und Interviews gab es fast nie.

Erst die Maxi „Temptation“ wurde letztes Jahr zu einem massiven Untergrund-Hit. Die zunehmende Hinwendung zu tanzbaren Rhythmen, der Einsatz raffinierter neuer elektronischer Rhythmus-Erzeuger erspielte der Platte einen Stammplatz in Subkultur-Discos. Aber erst ihre letzte Maxi, „Blue Monday“, schaffte die Sensation: meistverkaufte Maxi aller Zeiten, Chartplazierungen in aller Welt mit weiterhin steigender Tendenz.

Der Kult hatte die Massen erreicht – und Factory hatte trotz (und z.T. wegen) seiner extravaganten Firmenpolitik den Triumph, sich in der Krise als unabhängiges Label behauptet zu haben. Entgegen der Gepflogenheiten der Plattenindustrie erscheint „Blue Monday“ nicht auf der neuen New-Order-LP, die dennoch stilistisch sich vorwiegend zwischen „Temptation“ und dem neuen Mega-Hit bewegt.

„Blue Monday“ war ausschließlich als Maxi veröffentlicht worden, was das Risiko einschloß, daß das Charts-Publikum, das normalerweise die billigeren Seven-Inch-Singles vorzieht, an der Platte vorbeigehen würde Jetzt, wo der Erfolg da ist, kann man New Order auch wieder sehen wenigstens auf Video; der Eindruck des demonstrativ schlichten Videos unterscheidet sich wenig von dem einzigen Live-Gig. den New Order am Anfang ihrer Karriere in Hamburg absolviert hatten: Bewegungslos und ohne Kontaktaufnahme mit dem enthusiastischen Publikum verschanzen sich die vier hypersensiblen Musiker hinter ihren Instrumenten.