Nick Cave: Hamburg, WestPort-Festival
FRÜHER, GANZ FRÜHER, SPIELTEN AUF DEM Hamburger Hafen-Festival überwiegend Jazz-Musiker. Selbst Avantgardisten wie John Zorn bliesen dort ins Saxofon. Doch damals hieß diese Veranstaltung ja auch noch JazzPort. Heute tummelt sich in einem riesigen Zirkuszelt, unter der Schirmherrschaft eines Zigarettenherstellers ein Mischmasch von Künstlern von Pat Metheny.Taj Mahal bis Heather Nova und Garbage – und einer, der sich etwas weniger sommerlich-locker gibt: Nick Cave. Groß, hager und ernst kauert er vor seinem Piano selbstverständlich trägt er auch bei 80% Luftfeuchtigkeit und gut 30° Celsius einen dreiteiligen Anzug. Dies ist ein Liederabend, den er über weite Strecken allein bestreitet, meist mit den ruhigeren Songs seines Repertoires. Gelegentlich begleitet ihn der Bad Seeds- und Dirty Three-Musiker Warren Ellis an der Violine. Bei einigen wenigen Stücken sind auch Schlagzeuger Jim White (ebenfalls Dirty Three) und Susan Stenger (Band of Susans, Bass) zu hören, doch diese „Opulenz“ müßte gar nicht sein. Heute stellt Cave seine schwarzen Geschichten in den Mittelpunkt. Mit trockenem Humor und in morbider Stimmung berichtet er von den seltsamen Typen, die seine Lieder bevölkern für Frauen gibt es in dieser archaischen Männerwelt nur wenig Platz: Sie werden entweder sehnsuchtsvoll begehrt, oder – ganz die alte katholische Schule – umgebracht. Spartanisch, pur und ausgesprochen kraftvoll erzählt Cave seine Songs. Wenn es in diesem Zelt bloß nicht so heiß wäre. Und wenn bloß nicht überall diese albernen WestPort-Logos hängen würden, und dieses ewige Knirschen weggeworfener Einweg-Becher nicht wäre … Höhepunkt des Abends ist die reduzierte Version eines alten Birthday Party-Songs: „Wild World“. Da plötzlich macht die Begleitband Sinn, und Cave gibt einen Einblick in die wilde Expressivität seiner frühen Jahre. Doch mit 40 spürt er wahrscheinlich eine größere Nähe zu Lee Hazelwood und Leonhard Cohen, als zu Jim Morrison oder dem jungen Elvis. Dem begeisterten Publikum geht es da offenbar ganz ähnlich.