No weirdo Folk No More


Nach einer schmerzhaften Frühphase und Lehrjahren als verhuschte Hipster-Folkies lassen GRIZZLY BEAR mit ihrem dritten Album die Lagerfeuer von Brooklyn hinter sich und treten in ihr eigenes Licht.

Die Band ist schüchtern. Eine Handvoll Leute hat sich in den auf Experimentelles spezialisierten Live-Club „Tonic“ in die Lower East Side von Manhattan verlaufen. Die jungen Männer auf der Bühne singen mit fistelnden Stimmen gegen ihre Nervosität an – die Performance ist mitleiderregend bis zur körperlichen Pein. Und doch: Da ist etwas vergraben, tief in diesem Unvermögen, das glänzt und erinnerungswürdig scheint an diesem Abend … Knapp fünf Jahre später stehen die noch immer jungen Männer am vorderen Rand der mächtigen Bühne der Brooklyn Academy Of Music und verbeugen sich vor einem tobenden Publikum, das vom Kritiker der New York Times über Brooklyn-Hipster bis zu Verwandten und Freunden der Band reicht. Grizzly Bear haben ihr Konzert mit dem Brooklyn Philharmonie Orchestra beendet, und es war ein Triumph. Die Songs des neuen, dritten Studioalbums VECKATIMEST fügten sich nahtlos in das Repertoire der Band und unterstrichen die orchestrale Wendung, die ihr Sound seit dem zweiten Album VE1.LOVF HOUSE (2006) genommen hat. Die Folkmusik der letzten Jahre war – im Schatten der Bush-Regierung – durch den Rückzug in Kindlichkeit, Introspektion, Naturmystizismus und fantastischen Eskapismus gekennzeichnet; mit ihrem neuen Album haben Grizzly Bear den Absprung vom ausrollenden Neo-Folk-Zuggeschafft, haben die Lagerfeuer von Brooklyn hinter sich gelassen und sind in ihr eigenes Licht getreten.

Die Geschichte von Grizzly Bear in den fünf Jahren seit jenem verunglückten Auftritt in der Lower East Side zeigt dazu erneut, welch tolles Selbstermächtigungsvehike! Popmusik sein kann. „Anfangs hatte ich Riesenangst vorm Singen“, erzählt Band-Gründer Edward „Ed“ Droste in seinem Apartment in Williamsburg.

„Beim ersten Album waren die Stimmen unter Schichten von Sounds vergraben, so schüchtern waren wir. Bei Live-Shows schloss ich die Augen und stellte mir ein leeres Auditorium vor.“ Der den Grizzlys gern aufgebundene Bär einer „purifizierenden Lo-Fi-Ästhetik als Sound-Statement“ ist ein Mythos, genau wie jener von der Renaissance von Blumenkindern und Psychedelia in Brooklyn.

,,,Psychedelisch‘ trifft vielleicht als Adjektiv für einen kleinen Teil unseres Soundspektrums zu, aber Psychedelic -war eine historische Bewegung, die die gesamte Gesellschaft durchwirkte und untrennbar mit den 60s verbunden ist. Das ist vorbei. Wir nehmen ja nicht mal Drogen!“

Als Referenz böte sich viel eher „New England“ an. Der Kammer-Pop von Grizzly Bear atmet den Geist der alten Kolonien der Ostküste: die trüb-düsterliche Stimmung der nächtlichen Küste, die Milde der Landstriche, Rollkragenpulli, Melville, das Bildungsbürgertum, die Eliteuniversitäten … Wie schon bei YELLOW HOUSE wurde auch der Großteil des neuen Materials in dem kleinen Landhaus von Edwards Großmutter in Cape Cod in Massachusetts aufgenommen. Veckatimest ist der Name einer unbewohnten Insel an der Küste vor der Halbinsel. “ In einigen Songs kann man sogar das Kaminfeuer knistern hören“, so Droste über den bedächtigen Aufnahmeprozcss.

„Ich bin in Boston aufgewachsen. Mein Großvater war Leiter der Musikabteilung in Harvard, meine Mutter Musiklehrerin.

Wir haben uns oft um das Klavier herum versammelt und gesungen, die ganze Familie, so richtig klassisch.“

Freilich haben wir es auch auf VECKATIMEST nicht mit vertonten Postkartenansichten und fideler Folklore zu tun. Der Hang zur Kombination von komplexen Songstrukturen und selig machenden Harmonien ist geblieben. Doch schon im Opener „Southern Point“ kündigt sich eine neue Tonalität an. Der Sound ist klarer, nicht mehr so ausgefranst wie auf den Vorgängeralben, und schält sich wesentlich wuchtiger, manchmal geradezu progig aus den Boxen. Die Chöre irrlichtern nicht mehr suchend durch den Soundnebel, sondern haben sich in den vier Singstimmen von Grizzly Bear gefunden, die gelegentlich von einem Mädchenchor verstärkt werden. Das gestiegene Selbstbewusstsein ist hörbar, selbst in den vielen ruhigen Momenten der Platte. „Ja, das ist jetzt wohl Pop!“, sagt Droste und lacht. „Wir haben vor allem das Schlagzeug und die Stimmen nach vorne gemischt. Das hat den Songs eine neue Dynamik gegeben. Noch zu Zeiten von YELLOW HOUSE hätten wir uns das nie getraut.“ Und wie sieht’s mittlerweile live aus? Droste schmunzelt. „Bei einer frühen Show in Toronto zusammen mit TV On The Radio war da dieser Typ im Publikum, der uns richtig fertigmachte und ständig rumschrie: ,You guys fucking sack!‘ eteetera. Letztens ist dann genau dieser Typ nach einem Konzert zu uns gekommen und hat sich kleinlaut für damals entschuldigt. Das war dann schon ziemlich cool.“

Christian Lebner Mbumkrilik S. 85 www.grizzly-bear.net Netzanschluss Den Song“.Cbeerleader“

gibt’s gratis unter wuiu-.musikexttTess.de/grizzlybear