Noch größer ist noch cooler


Las Vegas, not Manchester. The Killers haben nie verstanden, was das soll: Pop als Glaubensfrage. The american way of wave pop life mit Weltmarktführeranspruch continues.

Nicht einmal zwei Jahre sind verstrichen, seit wir den Killers zum ersten Mal begegnet sind. Damals war die Band „bottom of the bill“ im Astoria Theatre in London. Die Garderobe war so winzig, dass der Interviewer bei der Verrichtung seiner Arbeit im Spülbecken sitzen musste. Es war nicht leicht zu erkennen, warum die Plattenfirma einen derartigen Rummel um diese Jungs aus Las Vegas veranstaltete. Klar, die 8os waren „in“ – und die Killers waren eine waschechte 8os-Revivalband. Aber erstens hatten Bloc Party und Franz Ferdinand schlüssig bewiesen, dass nicht die Simple Minds die heißeste Inspirarionsquelle dieser Zeit waren, sondern Gang Of Four. Und zweitens gab es eh schon ausreichend authentisch britische Bands, die den Sound der frühen Duran-Duran-, Cure- und U2 -Jahre authentisch britisch ins 21. Jahrhundert zu übersetzen versuchten.

Das, was Drummer Ronnie Vannucci Jr. und Gitarrist David Keuning an diesem Nachmittag im Juli 2004 einem ins Mikrofon murmelten, war auch nicht gerade dazu angetan, den Glauben zu verbreiten, man habe es hier mit angehenden Superstars zu tun. Die beiden waren nicht unfreundlich, nur wortkarg. Was wir aber erfuhren, war die höchste Gage, die Vannucci Jr. bis dahin für einen Auftritt kassiert hatte: 1500 Dollar. „Ich war in einem Perkussionstrio, und für den Zaster spielten wir nicht mal zehn Minuten/“ Bei einer Konferenz für Herzspezialisten. Am Stand eines Arzneimittelherstellers. Doch Hitparaden erobert man auch nicht mit spannenden Interviewantworten. Sondern mit einem Image, einem Sound, letztlich doch mit Musik. Und tatsächlich: Hier hatte die Plattenfirma den richtigen Riecher bewiesen. Die Killers selbst sowieso: Die Welt lechzte nach schillerndem Großleinwandsound und grandiosen Gitarren. Nach ironiefreien, monumentalen Pop-Refrains und jungen Stars, deren Haut nicht die Schrauben und Ösen schludriger Fließbandarbeit durchschimmern ließen. Es funktionierte. Obwohl Frontmann Brandon Flowers mit seinem Waschbärenlook und seinen Anzügen, die aus der Distanz verdächtig nach Nylon ausschauten, dem Hoheitsgebiet von 8os-Hitparaden-Zwergpudeln wie Limahl, Toyah und T’Pau gefährlich nahe kam.

Das Debüt HOT fuss ist zu Beginn dieses Sommers zum viermillionsten Mal über den Ladentisch gegangen. Schon letztes Jahr war die Band big genug, dass sie unter all den Megastars, die sich bei Live8 zur Ego-Salbung trafen, nicht fehl am Platz wirkten. Und der NME meint: Die Killers seien die „beste englische Band von Amerika“. Das aber wollen die Killers partout nicht sein. Die Killers denken global. Die Killers wollen die beste Band der Welt sein. „Wir haben diese Klein-ist-cool-Menta-Htät nie verstanden „, sagt Flowers heute, „selbst in unseren Anfangstagen in Las Vegas nicht. Klar, wir wären zufrieden gewesen, wenn wir von unserem Debüt 200 000 Exemplare verkauft hätten. Aber als Ambition wäre uns das zu mickrig gewesen. Und schau uns heute an: Wir sind gigantisch, undtrotzdem gehören wir zu den coolsten Motherfuckers, denen du begegnen kannst!'“Wow, diese Band hat wirklich alles! Sogar Sinn für Ironie.

Flowers eilt der Ruf voraus, sich gerne teuer und elegant zu kleiden. Heute macht er diesem Ruf keine Ehre. Das flaumige Schnäuzchen, dass er sich zugelegt hat, macht den frischgebackenen Ehemann noch jünger. Sein Auftreten ist noch immer nicht das eines millionenschweren Hitparadenstürmers, der ein ganzes Festivalpublikum mit dem Zeigefinger zum Schweigen bringen kann. Wenn Flowers spricht, könnte man meinen, er sei der Bassist von, sagen wir mal: Snow Patrol. Ein Mann jedenfalls, den man selten um seine Meinung bittet. und der auch nicht so recht versteht, warum man diese hören wollen könnte. Immerhin trägt er ein T-Shirt, das zur anglophilen Reputation passt. Es zeigt auf der Brust das Cover der Stones-LPSOMEGIRLS. Ist das ein Statement oder war’s das letzte saubere Shirt im Schrank? „Statement?“, fragt Flowers: „Ein Statement wofür?“ Na, die ewige englische Popfrage eben: Beatles oder Stones? „Die kann man doch beide mögen, oder? Komisch, dass Leute manchmal meinen, wenn einem das eine gefällt, würde das das andere ausschließen. Beatles und Stones die sind sich doch überhaupt keine Konkurrenz! Die Musik ist völlig anders. Die eine Band basiert auf dem Blues, die andere -nicht.“

Briten sehen das anders. Für sie ist Musik nie nur Musik. Wer sich zu einer Band bekennt, bekennt sich auch zu einem Lifestyle, zu einer Message. Beatles oder Stones? Genialische Gutbürgerlichkeit oder rotzige Lebenslust? Das sind wichtige Fragen! „Ach“, seufzt Flowers, „England ist ja so winzig. So eng. Für uns in Amerika spielt so was keine Rolle. Für uns als Teenager war England so weit weg, dass diese Menschen, diese Bands, für uns praktisch eine mystische Bedeutung erlangten. Die sozialen Subtilitäten kümmerten uns nicht. Wir hätten uns eh nie mit den Dingen identifizieren können, mit denen sich die Briten identifizieren. Ich legte The Smiths auf und las einen Zeitungsartikel über Manchester, da stieg vor meinen Augen diese wundervolle, verregnete, magische Nebelwelt auf. Herrlich! Ich lebte in Las Vegas, in der Wüste, das war ja genau das Gegenteil.“

Auch die Musik von Las Vegas und Manchester war sich diametral gegenübergesetzt. In Las Vegas hörten alle Korn und Tool, und sie spielten diese Musik, die Korn und Tool spielten. „Für mich war das zu aggressiv. Mir fehlte die Lebensangst, die es braucht, solcheMusikzu schätzen. Ich mochte einfach gute Songs. TheSmiths. New Order.Später dann Bowie und die Beatles. Da gab’s zwar hier unddamelancholischeMomente. Aber im großen Ganzen machte mich die Musik einfach nurhappy.“

Die ersten Tage im Studio mit den Jungs aus Vegas seien ziemlich frostig gewesen, erinnert sich Alan Moulder, der beim Debüt einige Tracks abgemischt hatte und beim Zweitling an der Seite seines alten Partners Flood als Produzent fungierte. Dann aber seien die Killers mit großem Einsatz eingestiegen. „Beim ersten Album hatten sie nach einer langen Tournee alles sehr schnell eingespielt“, sagtMoulder: „Diesmal hatten wir viel Zeit, rund vier Monate. Ich glaube, diese Umstellung fiel ihnen zuerst sehr schwer. Doch sie hatten Selbstvertrauen gewonnen und waren bald gewillt, Dinge auszuprobieren und zu experimentieren.“ Für Flowers und Vannucci Jr. war der bitteschön als schwierig zu erachtende Zweitling offiziell überhaupt kein Problem: „Es hat sogar mehr Spaß gemacht“, sagt der Drummer: „Wir sind mit dem Studio jetzt viel besser vertraut. Wir wollten schon immer einen großen Sound. Jetzt bringen wirdengroßen Sound auch tatsächlich hin. Es ist allesgrößer und besser geworden, würde ich sagen. „Das kann man wohl sagen: sam’stown ist einimposant aufgeblasener Brocken, gegen den Hot fuss klingt wie das um wenigstens etwas Volumen bemühte Aufbegehren einer jungen Garagenrockband.

Da fällt der Blick wie auf Stichwort noch einmal auf Flowers Stones-T-Shirt. Er finde SOME GIRLS auch ganz gut, versichert er. Aber gekauft habe er das Shirt eigentlich nur, weil es so gut sitzt. „Es sitzt so gut. dass ich ein paar Wochen später nochmal ein halbes Dutzend erstanden habe. Aber sie haben den Schnitt geändert. Jetzt ist’s nicht mehr dasselbe.“ www.thekillersmusic.com