NOVALIS


Typisch deutsch-aber kein Deutschrock!

„unser Rock ist typisch deutsch —aber kein Deutschrock!“ Diese Aussage stammt von Hartwig Biereichel, Drummer einer urdeutschen Band namens Novalis. Einer Band, die um die Wurzeln ihrer Musik keinen Bogen macht. Die aber auch einen klaren Trennungsstrich zu all den musikalischen Fehltritten ziehen will, die bislang mit der Verbindung der Worte deutsch und Rock gekennzeichnet wurden.

Daß sie so deutsch sind, wollen sie also gar nicht verleugnen, die Mitglieder von Novalis (halt: der Sänger ist Österreicher). Sie reagieren nur allergisch wenn man sie mit dem heute diskriminierenden Attribut „Deutschrock“ beschmutzt. Denn Deutschrock steht für einen schwerfälligen Dilletantismus, für miserable Musik. Das typisch Deutsche an Novalis ist jedoch etwas anderes. Die Mitglieder der Band bekennen sich in entwaffnender Offenheit zu den musikalischen Wurzeln, die den Stil vieler deutscher Bands beeinflußt haben. Das Bombastische, Wagnerianische, die Musik unserer Väter und der Stoff aus dem Musikunterricht haben sie geprägt, erklärt Hartwig Biereichel: „Diesen Background kann man eben nicht verleugnen.“

Absolut untypisch für deutsche Gruppen allerdings ist Novalis‘ Desinteresse am angloamerikanischen Markt. Erstens will die Gruppe weiterhin deutsch singen und zweitens „auf dem Teppich bleiben“ „Auch wenn wir Tag und Nacht üben“, meint Hartwig ganz ohne Bedauern, „England werden wir nie einholen. Dafür müßten wir etwas bringen, was die Briten nicht schon längst im eigenen Land haben.“ Außerdem sei der deutschsprachige Markt groß genug. Das heißt, so ganz ohne Ausland läuft es bei Novalis auch nicht: In Japan zum Beispiel geht ihre dritte LP, „Sommerabend“ ganz gut.

Novalis-Platten verkaufen sich ohne großen Werberummel

Ohne große Publicity verkaufen sich die Novalis-Platten mit stiller Regelmäßigkeit; mittlerweile ist die 130 000er Grenze überschritten. Auch die Konzerte sind gut besucht, ohne daß irgendjemand die Werbetrommel rührt. Woran hegt’s? Irgendwo muß die Gruppe wohl den Nerv des Publikums treffen. Darum macht sich bei den Jungs mittlerweile auch der Frust breit, weil dieser Reaktion in den Medien kaum Rechnung getragen wird. Hartwig schiebt es auf die Deutschrock-Allergie unter den Rock-Schreibern. Vielleicht hat er damit nicht so ganz unrecht.

Allerdings: Die erste Novalis-LP war — mit Verlaub — schauderhaft. „Banished Bridge“, noch mit englischen Texten von einem Sänger (Jürgen Wenzel) vorgetragen, der einem mit seinem Englisch die gute Laune verdarb. Hartwig meint zwar, er sei unheimlich gut gewesen, dafür gibt er aber zu, daß die Musik, ein triefender Berg aus Orgelgebüden, wohl noch nicht das Gelbe vom Ei war. „Wir haben uns aber weiterentwickelt, auch wenn wir diesen Stil nicht ganz aufgegeben haben“, erklärt er.

„Banished Bridge“ war 1973 erschienen, Produzent übngens Lake’s Jochen Petersen. Über ein Jahr dauerte es,bis die zweite LP „Novalis“ herauskam. Hartwig, Keyboardmann Lutz Rahn und Heino Schünztel (Baß) bekamen Schwierigkeiten mit Sänger Wenzel, der 1974 die Gruppe verließ. Für ihn kam Gitarrist/ Sänger Detlev Job. Mit dessen stimmlichen Qualitäten war allerdings noch kein Staat zu machen (gerechterweise muß man erklären, daß diese Lösung nur als Übergang gedacht war), dafür wurde das allzu starre musikalische Konzept aber wenigstens andeutungsweise aufgelockert.

Als Achim Reichel sich dann als Produzent für die Gruppe interessierte, brachte er eine an sich naheliegende Idee mit. Wenn eine Gruppe schon Novalis heißt, warum interpretiert sie dann keine Texte des Dichters Friedrich Freiherr von Hardenberg alias „Novalis“? Dieser Einfall war uns gar nicht gekommen“, gibt Hartwig zu, „wir haben den Namen nur aus klangmalerischen Gründen gewählt.“ Das Experiment indes gelang. Für die LP „Novalis“ vertonte die Band 1975 „Es färbte sich die Wiese grün‘ und für „Sommerabend“ (1976) „Wunderschätze“ „Wenn nicht Zahlen und Figuren“ sowie eine Bearbeitung von „Astralis“ schließlich finden sich auf der jüngsten Novalis-LP, „Brandung“, die Mitte November veröffentlicht wurde. Der Rest der Texte stammt von Detlev Job und dem neuen Novalis-Sänger Fred Mühlböck.

Fred Mühlböck war zum erstenmal auf der Novalis Live-LP „Konzerte“ zu hören. „Brandung“ ist die erste Studio-LP, bei der er mitwirkt. Ungeachtet der – umstrittenen – Feststellung des ME-Rezensenten „kab“, er sei ein „schwuler Minnesänger“, brachte der Österreicher Leben in den Liveauftritt von Novalis. Die Gruppe ist froh, nun endlich auch einen „Anmacher“ rn ihrer Mitte zu haben.

Auch die Entwicklung von behäbigen Klang-Monstern über leichtere, schwebende Klangbilder hin zu strafferen Liedern läuft bei Novalis langsam aber stetig. Greifbare Melodien machen sich breit, die leichter nachvollziehbar sind als fließende Soundebenen; der Trend zum plastischeren Song zeichnet sich schon auf „Brandung“ ab. „Jede Gruppe braucht einen gewissen Reifegrad, um dorthin zu kommen“, erklärt Hartwig. „In Zukunft werden wir mehr Harmoniegesang und kürzere, eingängigere Stücke produzieren natürlich auch im Hinblick auf den Rundfunkeinsatz.“ „Im Ernst“, fügt Hartwig noch hinzu, „eines Tages sind wir bestimmt mal eine reine Single-Gruppe.“