Ocean Colour Scene
Wer eigentlich hat diese saublöde Unterstellung verbreitet, Ocean Colour Scene würden Retrorock im Stil der Beatles und Small Faces spielen? „Die Journalisten waren’s“, mault Bassist Damen Minchella. Richtig ist: Der Drummer der Band heißt zwar (Oscar) Harrison. Doch die Musik hat mit nostalgischem Britpop nichts gemein – außer, daß sie britisch und Popmusik ist. Simon Fowler, Dave-Clark-Fransen vor die bleiche Stirn gekämmt, singt mit der sehnsuchtsvollen Lust eines Provinz-Oberen aus den Midlands bei Birmingham. Daisy Ducks Hut auf dem Haupt, gibt Gitarrist Steve Cradock auf seiner „Gretsch“ den brillanten Improvisator, gebiert Soli zwischen Andacht und abgehärteten Riffs. Das exzellente Rhythmus-Kommando Minchella/Harrison verströmt gemäßigten Motown-Spirit. Im einstündigen (!) Programm dominieren die Songs des aktuellen Albums „Marchin‘ Already“. „Hundred Mile High City“ ist mit seinen forschen Glissandi und dem hitzigen Doppel von Gitarre und Gesang Contemporary Rock ’n‘ Roll in voller Blüte. „Debris Road“ und „Better Days“ zählen zu den melodiösesten und wundersamsten Songs, die seit den Zeiten der Hollies geschrieben wurden. Ein fulminanter Klassiker („The Circle“), ein Hauch von Indie-Melancholie („Spark and Cindy“) – kein Zweifel, das Quartett aus Solihull hat sich vom Beatles-Blueprint zum souveränen Rockromantiker entwickelt. Der poetische, schmissige Gitarrenpop ist eine unwiderstehliche Fusion aus fabelhaftem Songwriting und ungenierter Spielfreude. Mit „Fire and Skill“ (Feuer und Fertigkeit) typisiert Damen Minchella trocken die beiden Antriebsaggregate der Band. Als zum Finale hymnisch „It’s A Beautiful Thing“geschwelgt wird und danach eine schweißtreibende Version von „Day Tripper“ aufbrandet, hat der fidele Vierer im, äh, gut besuchten Loft jeden überzeugt: Nun kommen sie wieder aus England – die besten Bands der Welt.