Odd is the new Pop
Indie-Musik zeigt sich immer abenteuerlustiger. Denn die Generation, die in jungen Bands wie Alt-J, Django Django, Breton und Sizarr Musik macht, wuchs in einer Welt ohne Genregrenzen auf.
Seltsame Popmusik gab und gibt es immer, zum Glück, und ab und zu bereichert sie sogar den Mainstream. In den vergangenen Monaten war es dann doch bemerkenswert, dass Indie-Rock und -Pop vor allem durch junge Bands wie Alt-J, Django Django, Breton und ihre großen Brüder von Animal Collective, Yeasayer und Grizzly Bear vertreten werden – von abenteuerlustigen Gruppen, die sich dem Strophe-Refrain-Diktat verweigern, aber auf Majorlabels veröffentlichen, charten, größere Läden ausverkaufen, ihre Nischen verlassen.
Selbstverständlich lassen sich so unterschiedliche Künstler kaum zu einem Trend gleichschalten, aber ihnen ist doch zweierlei gemeinsam: die Verschrobenheiten und ihre Konstellationen. Trotz der Band-Lineups schreibt keine der genannten Gruppen „klassische“ Indie-Songs, die in Chorussen und hymnischen Melodien gipfeln, und dennoch spielen sie bei aller Abgefahrenheit ohne Scham und Ironie astreinen Pop.
So unterschiedlich ihre jeweiligen Einflüsse und ihr Sound auch sind, merkt man allen Bands an, dass sie ihre musikalischen Sozialisationen nicht in abgesteckten Genre-Ghettos erfahren haben, wo sich Pop, Metal, Punk, HipHop oder Elektro gegenseitig ausschließen, sondern in einer Zeit, als sich die Grenzen längst aufgelöst hatten. Zudem sind die Musiker mit den Produktionsmöglichkeiten des vergleichsweise simplen Homerecordings und Samplings groß geworden, wodurch sich alles unmittelbar in eine Musik verwandeln ließ, die nicht mehr zwingend ans Kollektiv, an Proberäume und Studios gebunden war. Und so bewegen sie sich nicht nur auf dem Zeitstrahl der Musikgeschichte hin und her, sondern auch zwischen Konventionen und Techniken, greifen dabei auf allerlei Obskures zurück: Psychedelica, Disco, 60s-Folk, Tropicalia, Prog- und Krautrock, Afrobeat, Prince, 90er-Jahre-Elektronika und analoge Synthesizer, die an Wendy Carlos oder Goblin erinnern.
Die Selbstdarstellung dieser Bands in Artwork, Videos oder Konzerten bricht mehrfach mit dem Bild der klassischen, kraftstrotzenden Rockband. Aber bei aller Cleverness und Konstruiertheit ist es sehr körperliche Musik, die über den Groove funktioniert, mit Loops und Repetition arbeitet. Ekstase wird nicht über das sportive Sich-Ausrocken erreicht, sondern über Rhythmik und rauschhafte Euphorie.
Vielleicht ist es nur eine weitere Welle, dass die neuen Indie-Bands nicht wie Oasis, die Strokes oder Arctic Monkeys klingen. Doch vielleicht erleben wir auch einen Paradigmenwechsel. Dass eines der interessantesten deutschen Debüts 2012 von dem Provinztrio Sizarr kam, das die hier beschriebene Arbeitsweise losgelöst von jeder Szene völlig verinnerlicht hat, unterstreicht, dass es eine Verschiebung dahin gehend gibt, solche Musik nicht als abseitig und insiderisch, sondern als ganz normalen Pop wahrzunehmen.