Organische Verpflanzungen
Home sweet home. Daß an dem alten Spruch was dran ist, haben nun auch Olly Knights und Gale Paridjanian erkannt. Für die Aufnahme zu ihrem neuen Album Jackinabox sind die beiden Turin Brakes nicht etwa wieder von London ins ferne Los Angeles gereist. Die Platte entstand in einem Studio, das sich die zwei im Stadtteil Brixton selbst eingerichtet haben. Jemand hat uns einen schalldichten Raum in einem ehemaligen Pferdestall angeboten, der uns sofort gefallen hat. Dort entstanden die Demos, von denen unser Label begeistert war. Zum Glück! Wir hatten schon befürchtet, sie wollten uns in ein teures Studio nach Nashville zu einem superangesagten Produzenten schicken“, erinnert sich Paridjanian.
Das ursprüngliche Motto, unter dem die Turin Brakes einst antraten, hieß „Quiet is the new Loud“: Nur keinen Alarm machen! Alles schön akustisch belassen! Mittlerweile sehen die Jungs das nicht mehr so dogmatisch. Auf Jackinabox sind sogar Synthesizer zu hören. „Uns liegt überhaupt nichts daran, wie ein Folk-Act aus den Sixties zu klingen. Mit altmodischem Sound und Musikinstrumenten von antikem Wert aHein läßt sich doch nichts anfangen. Durch die Zusammenarbeit mit Tony Hoffer auf dem letzten Album Ether Songs wurden uns die Vorzüge von Klangsynthese vor Augen geführt. Wir haben gelernt, wie man dem Sound von Tracy Chapman mehr Wärme gibt, wenn man ihn mit Elementen von Kruder & Dorfmeister versetzt. Die Musik bewahrt ihr ursprüngliches Flair, klingt dabei aber auch wie eine Produktion von heute.“
Erstaunlich ist, daß die Turin Brakes auf ein Keyboard wie das Poly 800 von Korg zurückgreifen. Mit ihm wurde in den 80er Jahren so manches Synthesizer-Pop-Verbrechen verübt. Trotzdem hält Paridjanian organischen Klang für wichtig. Beim Trödler hat das Duo ein hundert Jahre altes Harmonium aufgetrieben, das in „Road To Nowhere“ auch gleich zum Einsatz kam. Außerdem lernt Paridjanian seit fünf Jahren das Perkussionsspiel. Eindrücke davon vermittelt der Titeltrack, in dem ein Trommelsolo auftaucht. „Ginge es nach Puristen, dürften wir so ein Instrument überhaupt nicht benutzen. Die meinen, man könne ethnische Instrumente nicht einfach in nichtethnische Musik verpflanzen. Es geht uns aber nicht um eine World-Music-Synthese wie bei Peter Gabriel. Perkussion vermittelt den Eindruck von Ungezähmtheit und Leidenschaft, das gefällt uns.“
In eine ähnlich angeschwärzte Richtung geht „Red Moon“ mit einem einpeitschenden Beat wie bei Outkasts „Hey Ya“. „Wir wollten etwas nehmen, das nach Gospel, Soul und Rock klingt.Wir haben früher viel Blues von John Lee Hooker gehört, und Ollys Stimme hat von Natur aus Seele. Da kommt dann so etwas zustande.“ Warum auch nicht? Mit Folk und Country haben sich die Turin Brakes nun ja hinreichend beschäftigt, nun wird darüber hinaus auch einmal das benachbarte Genre des Soul beackert. Das kommt davon, wenn man eigenen vier Studiowänden alle Freiheiten der Welt genießt und sich eigenständig entwickeln darf, ohne daß einer reinquatscht.
www.turinbrakes.com