Palma Violets


Den vier Libertines-Fans aus London ist es egal, ob sie so groß wie der Hype um sie werden. Ihnen geht es darum, Leidenschaft in den Indierock zurückzubringen.

Der „NME“ schoss mal wieder aus allen Rohren: „The best new band in Britain“ nannte er Palma Violets in seiner Titelgeschichte vom Oktober. Damals gab es die Band gerade mal ein gutes Jahr. Ende 2012 kürte er die Debütsingle der Indierocker aus dem Zentrallondoner Stadtteil Lambeth, „Best Of Friends“, dann gleich mal zum „Track of the year“. Anfang Januar sprach das Blatt in seiner zweiten Titelgeschichte über die Band gar von einer „music revolution“. Wohlgemerkt: Das erste Album von Palma Violets erscheint erst Ende Februar. Der Erwartungshaltung, die bis dahin aufgebaut wird, kann niemand gerecht werden. The Drums, die vor drei Jahren ähnlich aufgebaut wurden, verpufften, als ihr Debüt erschien.

Doch Palma Violets machen sich keine Sorgen, zumindest nicht darüber. Vorerst haben die vier ganz andere: Am Tag vor unserem Interview spielten sie in Paris und besichtigten danach die örtlichen Bars. Keyboarder Pete Mayhew verlässt deshalb sein Bett gar nicht erst. Ob seine nervösen Gesichtszuckungen permanent oder Folgeschäden des Schlafmangels sind, wird dezenterweise nicht herausgefunden. Wohl aber, dass die Band gar nicht so viel hält von ihrem Image als Partyhengste. „Die Zeitschriften müssen ihre Seite voll bekommen“, sagt Sänger Sam Fryer. „Mythen sind wichtig für den Rock’n’Roll. Aber es stimmt wirklich nicht alles, was über uns geschrieben wird.“

Dann hat Sam seinen Co-Sänger und Bassisten Chilli Jesson – die beiden verbindet eine Pete-’n‘-Carl-ähnliche Freundschaft – gar nicht kennengelernt, als er auf dem Campingplatz des Reading-Festivals traurig Gitarre spielte und der von LSD verblasene Chilli auf ihn zukam und ihm anbot, ihn zu managen? Dann ist der erste Song der Band, die kaputte Hymne „Fourteen“, gar nicht das Resultat einer durchfeierten Nacht, nach der die beiden auf einem ihrer Handys eine Sprachnachricht mit der gegrölten Demo des Songs fanden und sich nicht erklären konnten, wie die dort hinkam? „Nun ja, zumindest die Drogen kann man aus den Geschichten streichen …“, sagt Sam und lächelt dabei viel zu verschmitzt, um ihm glauben zu können.

Er wuchs mit den Junkiemärchen der Libertines auf, und in der Tat sind die Parallelen zwischen den beiden Bands nicht zu übersehen: Da sind die Oben-ohne-Guerillagigs in Kellerclubs ohne Luftzirkulation, der Plattenvertrag bei Rough Trade und natürlich die Songs, skizzenhaft, ungestüm und leidenschaftlich. Doch Träume davon, den Legendenstatus der Vorbilder zu erreichen, spielen für Palma Violets keine Rolle. „Wir sind jetzt schon größer, als wir uns je vorstellen konnten“, sagt Sam. „Unsere Songs dürften für viele auch zu sperrig sein, wir denken nicht in Pop-Strukturen, setzen nur selten auf die Strophe-Refrain-Strophe-Formel, arbeiten Störgeräusche in unsere Musik ein.“ Zum Beispiel die eines Zuges, dessen Strecke über das Bandstudio in der Lambeth Road Nr. 180 führt, nach der das Debütalbum 180 benannt ist und die längst zur Pilgerstätte für Fans geworden ist. Dort spielt die Band immer noch häufig Spontankonzerte. Kommen kann jeder, der davon hört. Selbsteinschätzung hin oder her, bald werden hier mehr Leute vor als hinter der Tür stehen. Viel mehr.

Albumkritik S. 90, Hotlist ME 2/13

Der Bandname geht auf die in England allgemein bekannte Süßigkeit Parma Violets zurück. Da es eine Band gleichen Namens schon aus Schottland gibt, tauschte man das „r“ einfach mit einem „l“ aus. „So ergibt der Name wenigstens keinen Sinn. Das war mir immer schon am liebsten“, sagt Sam.

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Vor der Bandgründung arbeitete Sam als Toilettenputzer im Londoner British Museum, während Chilli in der Schule scheiterte.

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Klingt wie: The Libertines, The Clash, The Gun Club