ME-Digitalcover

Pet Shop Boys im großen Interview: Dr. Pop & Mr. Hyde


So geht’s zu bei einer Stunde Deeptalk mit den wunderbaren Pet Shop Boys. Lest hier unsere Digital-Coverstory.

In fast allen Schlagern geht es um die Suche nach dem Glück. Stimmt der Eindruck, dass sich die Protagonisten der Songs auf der Suche nach dem Glück befinden?

NEIL: Wir begegnen vielen Leuten, die das Album gehört haben und diesen roten Faden erkennen. Es war keine bewusste Entscheidung, eine solche Platte zu machen, aber anscheinend ist es unbewusst eine solche geworden. Es ist interessant, wenn das Publikum nach der Veröffentlichung eines Albums Verbindungslinien zieht, die wir gar nicht beabsichtigt hatten.

CHRIS: Vor allem dann, wenn uns diese Interpretationen klüger erscheinen lassen, als wir eigentlich sind.

NEIL: Ich weiß noch, wie nach der Veröffentlichung von ACTUALLY alle behaupteten, es handele sich um ein Album, das auf sehr treffende Art und Weise die vom Geld dominierte Kultur des Jahres 1987 kritisiert. Das hatten wir aber nie beabsichtigt. Oder nimm das Stück „Domino Dancing“, alle nehmen an, es sei ein Song über AIDS, mit den umfallenden Dominosteinen als Metapher für die vielen verstorbenen Freunde und Bekannten in dieser Zeit. Dabei handelt der Song ganz einfach von Dominosteinen. Der AIDS-Song kam dann erst zwei Jahre später, hieß „Being Boring“ und war in den Charts deutlich weniger erfolgreich. Dass bestimmte Songs eine unbewusste Bedeutung besitzen, merken wir erst später.

CHRIS: Sonst wäre uns die Bedeutung ja auch bewusst.

NEIL: Vielen Dank für diese außerordentlich logische Ergänzung, Chris.

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CHRIS: Wenn ich eines bin, dann logisch. Ein Lied auf NONETHELESS gibt vor, das Geheimnis des Glücks gefunden zu haben: „The Secret Of Happiness“. Ich bin mir nicht sicher, ob es ironisch ist oder nicht …

NEIL: Nein, ist kein bisschen ironisch. Ich muss es wissen, denn ich habe es komponiert, auch die Musik. Es besitzt einen gewissen Easy-Listening-Einfluss, was für uns ungewöhnlich ist, weil wir nur sehr gelegentlich in diesem Genre unterwegs sind. Zu dem Song kam es, als ich während der Lockdowns in der Pandemie Kompositionen von Irving Berlin auf dem Klavier geübt habe. Ich finde seine Biografie sehr interessant, seine Familie floh Ende des 19. Jahrhunderts vor den antisemitischen Pogromen in Russland nach New York. Er brachte sich das Klavierspielen selbst bei, wurde ein erfolgreicher Musiker, komponierte „White Christmas“ …

… auch ein Schlager.

NEIL: Ja, unglaublich populär! Ich mag die Akkordwechsel seiner Kompositionen aus den Dreißiger- und Vierzigerjahren, das alles klingt sehr easy, aber gleichzeitig ein wenig schwermütig.

Mich erinnert „The Secret Of Happiness“ eher an die Sechzigerjahre, an den Sunshine-Pop dieser Zeit.

NEIL: Na ja, mit Sunshine-Pop haben wir es nicht so, aber die Popkultur der Sechziger kommt im Stück vor. Es handelt indirekt von „Babe Rainbow“, einem sehr berühmten Bild des Pop-Art-Künstlers Peter Blake, der es 1968 gemalt hat. Ich weiß noch, dass ich es als Teenager zum ersten Mal in der Wochenendausgabe der „Times“ gesehen habe. Das letzte Mal habe ich es übrigens in Berlin entdeckt, in einem Auktionshaus in der Fasanenstraße, gedruckt auf Blech – es sah toll aus! Es ist eines dieser Bilder, das immer wieder in anderen Kontexten auftaucht.

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Zum Beispiel auf dem Cover des Albums BABE RAINBOW der Britpopband The House Of Love.

NEIL: Da haben wir’s, in der Welt der Bilder ist „Babe Rainbow“ ein Schlager.

Chris, fällt es dir schwerer, Musik zu einem so easy klingenden Song beizusteuern?

CHRIS: Ich musste bei „The Secret Of Happiness“ gar nichts tun, Neil hatte den Song komplett fertig, auch schon das Demo. Nur James Ford musste noch was dran machen, er hat das tolle Streicherarrangement geschrieben.

Würden so also die Lieder eines Neil-Tennant-Solo-Albums klingen?

NEIL: Nein, denn „The Secret Of Happiness“ ist ein Pet-Shop-Boys-Song, viele meiner alten Solosachen sind dies nicht.

CHRIS: Das sind mehr so Sachen für Folkies, die Cellos mögen.

NEIL: Wie auch immer, ich habe mir, ebenfalls während der Lockdowns, eine Gitarre genommen und ein paar dieser alten Lieder aufgenommen, viele von ihnen haben 50 Jahre auf dem Buckel. Mal sehen, was mit ihnen passiert.

ME-Premiere: Schaut hier den exklusiven Live-Videomitschnitt der Pet Shop Boys.