Poco


In nur einem Jahr schaffte Poco den Aufstieg: 1975 kam die amerikanische Country-Band noch als Anheizer für America in die Bundesrepublik, diesmal war sie Hauptattraktion und kassierte im Verlauf ihrer kurzen Herbsttournee überschwenglichen Beifall. Country-Rock, so scheint es, stößt hierzulande auf ein immer stärkeres Interesse; was Poco noch fehlt, um es richtig zu nutzen, ist ein durchschlagender Hit.

Die Band selbst hat längst keine Lust mehr, nur vom guten Ruf zu leben. „Auf unserer nächsten LP“, erzählte Gitarrist Paul Cotton vor dem Konzert in Offenbach, „bringen wir gleich eine ganze Reihe von gut verkäuflichen Titeln unter!“ Ein runder Single-Erfolg, so hofft er, müßte dann eigentlich darunter zu finden sein. Und er allein könnte Poco wohl auch von dem Trauma befreien, trotz exzellenter Alben nie über mittelmäßige Verkaufszahlen im Plattengeschäft hinauszukommen; die letzten beiden Poco-LP’s, „Head Over Heels“ und „Rose Of Cimarron“, die nach dem Kalkül der Plattenfirma „abc“ eigentlich den Durchbruch bringen sollten, schafften in den USA auch nur den 30. Platz in den Charts.

Die Wende allerdings bahnt sich schon an: Der brandneue Titel „When The Dance Is Over“, den die Band in Deutschlands Konzerthallen vorstellte, ist ihr griffigster Song seit Jahren, ein Ohrwurm, bei dem alle typischen Poco-Qualitäten zur Geltung kommen und der dennoch aus jenem Stoff geschnitzt wurde, der für die Hitparaden taugt.

Bislang fuhr die mittlerweile wieder fünfköpfige Gruppe (Paul Cotton, Timothy Schmid, b, Rusty Young, pedal steel, George Grantham, dr, und Al Garth, sax, fiddle) eher einen genau gegensätzlichen Kurs. Während die Eagles ihren Country-Sound mit mächtigen Rock-Riffs und hartem Rhythmus aufmotzten und eine Goldene nach der anderen kassierten, bleib Poco stets mehr den Ursprüngen des Country-Sounds verhaftet, spielte traditionelle Bluegrass-Songs und verpackte brillanten Chorgesang und schöne Melodien meist in unauffällige, entspannte Arrangements.

Dieser Trend verstärkte sich, als Poco-Gründungsmitglied Richie Furay 1973 nach Veröffentlichung der sechsten Poco-LP „Crazy Eyes“ die Band verließ; aus den Weiten der Prärien zurück in den Dunstkreis der Städte führt sie – im musikalischen Sinne – jetzt jedoch der gewitzte ehemalige Sessionmusiker AI Garth, dessen warme Saxophonphrasen bei den jüngsten Poco-Konzerten gänzlich unerwartete Akzente setzten.

Mut zum Wandel bewies auch Rusty Young, dessen gequältes, weinerliches Spiel auf der pedal steel guitar etliche Alben der Gruppe geschädigt hatte. Diesmal überraschte er stellenweise mit sehr rockigen, scharfen, sirrenden Klängen und zeigte, daß er doch zu Recht zu den besten Interpreten auf seinem für deutsche Ohren ungewohnten Instrument zählt.

Poco gab in Deutschland schwingende, fröhliche Konzerte, die trotz ständiger Schwächeanfälle von Drummer George Grantham – er rutschte in jedem Song mehrfach aus dem Tuning – nicht zusammenbrachen. Man bekam Appetit auf eine weitere Tournee, die allerdings im Sommer laufen sollte – ein Open-air-Festival auf der grünen Wiese ist immer noch der beste Rahmen für die Musik der Band.