Preis für Popkultur 2019: 5 Augenblicke der Verleihung, die in Erinnerung bleiben
Am 02. Oktober 2019 wurde im Berliner Tempodrom zum vierten Mal der „Preis für Popkultur“ verliehen. Wir waren da und erinnern uns an ein paar wirkliche sowie denkwürdige Highlights.
Im Berliner Tempodrom wurde am Abend des 02. Oktober 2019 zum vierten Mal der „Preis für Popkultur“ verliehen.
In insgesamt zwölf Kategorien kämpften 61 Nominierungen um die jeweiligen Auszeichnungen. Gleich mehrere Künstler tauchten mehrmals in den Nominierungsliste auf. Deichkind traten in der Kategorie „Lieblingsvideo“ sogar gegen sich selbst an.
Durch den Abend führte ein Moderatoren-Trio bestehend aus Radiomoderatorin Claudia Kamieth sowie Jan Kawelke und Vassili Golod, bekannt durch ihren Rap-Politik-Podcast Machiavelli.
Für diejenigen, die es an dem Abend nicht zur Veranstaltung geschafft haben, stellten die Macher des „Preis für Popkultur“ einen Livestream auf YouTube zu Verfügung. Da dieser nach der Preisverleihung nicht mehr abrufbar ist, findet Ihr hier fünf bemerkenswerte Momente und Anekdoten vom „Preis für Popkultur“ 2019, die wir miterlebt haben:
1. Intro mit Knall
Der Abend war noch keine 15 Sekunden alt, da wurde klar, dass dies eine andere Preisverleihung werden würde. Kommentarlos erschien die Berliner Psychedelic-Hard-Rock-Band Kadavar auf der Bühne und spielte so hart drauf los, dass allen Anwesenden schwindelig wurde.
Das kompromisslose, treibende Schlagzeug, die schnellen Gitarrenriffs und die ewig headbangenden Haarprachten eigneten sich hervorragend als Intro des Events. Die Band rüttelte Zuschauer und Nominierte wach und erfüllte keine Konventionen. Gut, ihr Auftritt wirkt zwei bis drei Minuten zu lang und für einen Kadaver-Laien ließ sich nur schwer sagen, wie viele Songs sie überhaupt gespielt haben. Bei einer Veranstaltung, die das Wort „Popkultur“ im Namen trägt, solch eine Band überhaupt auftreten zu lassen, erfordert Mut. Die Veranstalter bewiesen ihn, der Plan ging auf.
Kadavar verschwanden genau so kommentarlos wie sie kamen und legten einen melodramatisch-wütenden Abgang hin.
2. Erst Pizza, dann Preise
Knapp eine Minute vor Beginn der Veranstaltung erschien Rapper Porky von Deichkind mit einem Pizza-Karton in der Hand im Tempodrom. Zu diesem Zeitpunkt saßen die meisten Gäste schon auf ihren Plätzen und warteten darauf, dass es endlich losgeht.
Sichtlich zufrieden und entspannt nahm der Hamburger Platz und verspeiste seine Pizza. Was dann folgte, kann man einen klassischen Siegeszug nennen: Deichkind gewann gleich drei Preise und holte sich damit den Hattrick des Abends.
Die folgenden Kategorien konnten sie zu ihren Gunsten entscheiden: „Lieblingslied“, „Lieblingsvideo“ und „Lieblingsband“. Ihr Song „Richtig gutes Zeug“ gewann damit gleich zweimal. Der erste Preis des Abends kam so überraschend, dass Sebastian Dürre, wie Porky eigentlich heißt, seine Pizza fix beiseite legen musste und Kryptik Joe, der zweite Rapper und Produzent im Bunde, noch gar nicht vor Ort war. Die improvisierte Dankesrede viel entsprechend kurz aus – die Pizza darf doch nicht kalt werden!
Deichkind gewannen damit in jeder Kategorie, in der sie nominiert waren und gingen als Sieger des Abends hervor.
3. Stuhl statt Gewinner
Der Preis für die spannendste Idee/Kampagne ging dieses Jahr an das Moderations- und Entertainer-Duo Joko & Klaas. Diese hatten sich in ihrer TV-Show „Joko & Klaas gegen ProSieben“ 15 Minuten Sendezeit zur Primetime erspielt, in der sie machen und zeigen durften, was sie wollten.
Wer hier mit erwartbarem Klamauk gerechnet hatte, wurde positiv überrascht. Die beiden gaben ihre Bühne komplett her und ließen drei andere Menschen zu Wort kommen: Kapitänin Pia Klemp vom beschlagnahmten „Iuventa 10“, Sozialarbeiter Dieter Puhl sowie Birgit Lohmeyer, die zusammen mit ihrem Mann Peter seit 2007 das „Jamel Rockt Den Förster“-Festival gegen Rechts und gegen alle damit einhergehenden Widerstände organisiert.
Für ihre Selbstlosigkeit, die eigene Bühne für Menschen frei zu räumen, die wirklich relevante Dinge zu erzählen haben, wurden Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf mit dem „Preis für Popkultur“ ausgezeichnet.
Anstelle der Gewinner erschien jedoch nur: ein leerer Stuhl. Die Gründe lagen auf der Hand: Erstens hatten die Moderatoren keine Zeit um persönlich zur Preisverleihung zu erscheinen. Zweitens basierte das Konzept ihrer 15 Minuten ebenfalls auf einem leeren Stuhl, auf dem die Zu-Wort-Kommenden ihren Platz einnahmen.
4. Völlig verwirrter Dendemann
Einen der letzten Preise des Abends gewann Rapper Dendemann in der Kategorie „Lieblings-Solokünstler“. Sichtlich erfreut, aber auch etwas verwirrt, erschien er auf der Bühne bedankte sich artig – und musste dann erstmal fragen, in welcher Kategorie er gewonnen hatte.
Dies sorgte beim gesamten Publikum für Lacher und angesichts der Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt schon mindestens drei Stunden Frei-Getränke hinter den Nominierten lagen, konnte jeder mit Dendemann mitfühlen.
Für sein Album DA NICH FÜR! gewann der Hamburger MC ebenfalls den Preis für das beste Album des Jahres.
5. Ungezwungene, angenehme und teilweise noch holprige Veranstaltung
Die gesamte Verleihung des „Preis für Popkultur“ wirkte 2019 sehr unaufgesetzt, locker und ehrlich – und hier und da noch ziemlich holprig: So vergaß man bei der Kategorie „Lieblingsalbum“ die Nominierten in einem kurzen Video vorzustellen und die Autoren Jan Wehn und Davide Bortot kündigten sofort an, dass Dendemann gewonnen hat und überreichten ihm den Preis, nachdem sie ihn endlich in der Hand hielten: Der Bilderrahmen, der die Auszeichnung darstellt, war noch gar nicht in Greifnähe. Waren ja alle davon ausgegangen, erst ein Video zu sehen.
Sagen wir es so: Die Veranstaltung punktete damit, dass nicht zwanghaft probiert wurde, eine bestimmte Stimmung zu erzeugen. Der Abend erhielt die Chance, seinen eigenen Fluss anzunehmen.
Tarek von K.I.Z ließ den Preis, zehn Sekunden nachdem er und seine Band ihn für die beeindruckendste Live-Performance erhalten hatten, fallen. Musikjournalist Falk Schacht hielt eine viel zu lange, stellenweise wirre Laudatio auf Deichkind, deren Quintessenz es wohl war, dass die Rapper Hofnarren sein sollen. Auch die Moderation hatte hier und da einige Stolperer.
Nichtsdestotrotz handelte es sich beim Preis für Popkultur 2019 um eine gute und grundsätzlich wichtige Veranstaltung: Nach öffentlicher Kritik daran, dass bei der Verleihung 2018 gerade mal drei Frauen unter 50 Nominierten nominiert waren, gab der organisierende Verein zur Förderung der Popkultur e.V. weiblichen Künstlern zumindest live eine Bühne. Neben Kadavar waren vier von fünf Liveacts weiblich: Amilli, Alli Neumann, Ilgen-Nur und Rapperin Ebow.