Radiohead, James Blake, Róisín Murphy: So war der Sonntag beim Lollapalooza Berlin 2016


Außerdem mit Major Lazer, Bilderbuch, Beginner und Aurora: Der Sonntag im Treptower Park ging heiß und staubig weiter und endete mit einem zweistündigen Set von Radiohead.

Am Sonntag war es beim Lollapalooza Festival 2016 im Treptower Park vor allem eines: heiß. Das merkte auch James Blake mit einem etwas leidenden Gesichtsausdruck an und konnte den Sonnenuntergang gar nicht abwarten – auch weil nach seinem Auftritt Radiohead die Bühne betraten. Ebenso nach seinem Auftritt, aber in keinerlei kausalem Zusammenhang, wurden die Wasserflaschen an den Verkaufsständen knapp ohne nachgeliefert zu werden. Eine „mutige“ Entscheidung angesichts der Temperaturen und des aufgewirbelten Staubs, der sich über das Gelände legte. Wer auf Softdrinks oder Alkohol umsattelte und am Abend versuchte einen Blick auf Radiohead zu ergattern, wurde an einem der Bühnenzugänge gestoppt, da sich offenbar wenig überraschend die meisten Besucher für den Headliner entschieden hatten. Wir haben alles gut überstanden und wieder fleißig unsere Eindrücke für Euch gesammelt:

Bilderbuch

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Sie sind schlichtweg the sexiest Buben on earth. Bilderbuch strahlen so wunderschön Lust und Freude an der Musik und am Aufheizen des Publikums aus, dass man bei Songs „Schick Schock“ und „Rosen zum Plafond“ schon mal ganz wuschig werden kann.
Zwar spielten die Österreicher bei ihrem einstündigen Set den neuen, kürzlich debütierten Song „Sweetlove“ nicht (vielleicht weil sie gemerkt haben, dass er doch ziemlich unausgegorener Soundmatsch ist?), dafür ihr Hitalbum SCHICK SCHOCK beinahe in Gänze.
Nebenbei bewirbt sich Sänger Maurice Ernst auch in diesem Festivalsommer für den „Zu cool um wahr zu sein“-Preis. Mit Schmäh und Witz knüpft er sich die Nörgler vor, die das Lollapalooza bis zur letzten Sekunde verhindern wollten und belächelt die urdeutsche Angewohnheit, sobald ein gerader Beat länger als drei Sekunden anhält, mitklatschen zu müssen: „Gut, dann fühlen wir uns jetzt halt alle wie im Fernsehgarten“ – wie gut diese Band dem ZDF-Gruselkabinett doch tun würde.

Dominik Sliskovic

Temper Trap

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Vor sieben Jahren hatte die mittlerweile in London lebende australische Band Temper Trap mit dem Song „Sweet Disposition“ einen Hit, der es in Großbritannien bis in die Top 10 der Single-Charts geschafft hat. Das dritte Temper-Trap-Album THICK AS THIEVES ist Ende Juni erschienen, was man weder Lollapalooza-Publikum noch der Band anmerkt. Denn die Performance des Quartetts auf der Alternative Stage am frühen Sonntagnachmittag kommt fahl und gelangweilt daher: Gemütlich wiegt sich die Menge zum säuselnden Indie-Pop der Band, ohne sich dabei zu sehr anzustrengen. Maßgeschneiderte Musik für Menschen mit Blumenkranz und Flash-Tattoo eben, bei denen Priorität eines Festivals nicht auf der Musik, sondern auf dem Feeling drum herum liegt. Zum eingangs erwähnten Hit kriegt das belanglose Set immerhin noch einen dünnen Anstrich von Magie verpasst.

Louisa Zimmer

Aurora

Viertel nach eins am zweiten Festivaltag. Das ist jetzt auch nicht die dankbarste Zeit für einen Hauptbühnenslot. Aurora, Nummer-eins-Künstlerin aus Norwegen und hier dank zweier milder Radiohits zumindest semibekannt, zieht dafür erstaunlich viele Leute an. Wer kommt, um nur vorbeizuschauen, der bleibt. Und viele von denen, die geblieben sind, tanzen. Denn die Songs ihres im Frühjahr erschienenen Albums ALL MY DEMONS GREETING ME AS A FRIEND gewinnen live mächtig, was vor allem an der Stimme der 20-Jährigen liegt. Die ist wahnsinnig ausdrucksstark und variabel, schwillt an und ab und wirkt immer ein wenig erstaunt über ihre eigenen Fähigkeiten. Wo auf CD manchmal die Produktion die eigentliche Musik manchmal etwas zu weit in den Hintergrund drückt, geht die Mischung live auf. Man könnte da jetzt Vergleiche zu Björk ziehen oder irgendwas von skandinavischer Mystik erzählen, man kann’s aber auch bleiben lassen und sagen: Mainstream-Pop, der an diesem Wochenende an anderer Stelle auf durchaus schauderhafte Art und Weise auf sich aufmerksam macht (Jess Glynne, ich schau‘ in deine Richtung!), ist manchmal doch toll.

Jochen Overbeck

Beginner

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Tatsächlich war es gleich aus zweierlei Gründen schade, dass Gzuz nicht mit auf der Alternativ Stage stand. Zum einen wäre der ohnehin fantastische Opener „Ahnma“ mit ihm noch um einiges wuchtiger gewesen. Zum anderen standen wenige Minuten später bei „Gustav Gans“ als Schwein und Federvieh kostümierte Statisten hinter den Beginnern. Und luden zu Gewaltfantasien ein, in denen ein Brecher wie Gzuz diese humorlos von der Bühne boxt. Für kurze Zeit kam das Gefühl auf, dass Jan Delay, Denyo und DJ Mad auch ganz gut auf dem Kidzapalooza aufgehoben wären.

Doch abseits all der Angriffsfläche, der merkwürdigen Kostüme im Background und Delays Outfit (er war noch schnell im Jahr 1994 shoppen): Sobald die Beginner „Hammerhart“ spielen, ist das alles egal. Und genau das ist auch das Wunderbare an dem Comeback-Album ADVANCED CHEMISTRY: Zwar interessieren die neuen Songs – „Ahnma“ ausgeklammert – kaum, dafür sind die Beginner endlich zurück auf der Bühne und können die vertrauten BAMBULE-Hits noch einmal für all diejenigen abfeuern, die bisher nicht in den Genuss kamen.

Die Beginner machen trotz der Belanglosigkeit der meisten ADVANCED CHEMISTRY-Songs Spaß. Weil sie zwischen Album-Promo geschickt „Fäule“ mischen und Jan Delay und Denyo sich auf der Bühne zwar nicht zwingend stilsicher, aber selbstbewusst und motiviert zeigen. Und dafür hätten sie es eigentlich auch verdient, auf dem Lollapalooza einen Slot zu bekommen, bei dem die Zuschauer nicht nach 40 Minuten zur Mainstage abwandern, um sich Radiohead-Plätze zu sichern.

Daniel Krüger

Róisín Murphy

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Miss Róisín Murphy ist eine Königin der Nacht, eine der letzten Geheimnisträgerinnen vom Stamme Dance, Magierin unter der Discokugel. Nur: Um 17 Uhr ist es eben noch nicht dunkel. Und das hier ist ein Stadtpark. Doch sie trägt genug Persönlichkeit, Dynamik und Stimme mit auf die Bühne, um auch so einen hochspätsommerlichen Nachmittag am Spreeufer klar zu machen. Gemeinsam mit ihrer vierköpfigen, mit den Maschinen um die Wette groovenden Band ist sie der Fleisch und Esprit gewordene/gebliebene Gegenentwurf zu dieser Stromlinienförmigkeit, die vor allem das big bescreente Programm der benachbarten DJ-Bühne, der „Perry’s Stage“ (nach Lollapalooza-Gründer Perry Farrell), bestimmt. Auch die Setlist ist mutig, mit drei Moloko-Stücken, von denen den meisten im eher mittelalten Publikum hier aber nur „Forever More“ einigermaßen geläufig sein dürfte („Sing It Back“ und „Cannot Contain This“ werden später immerhin kurz untergehoben) und ansonsten viel Musik von ihren neuesten beiden Alben, die mit langen Spannungsbögen und komplexen Dramaturgien arbeiten.

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Christina Wenig
Christina Wenig
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