Radioman: Der Star, der aus der Gosse kam


Johnny Depp hält ihn für ein Alien, Helen Mirren hat sein Foto in der Garderobe hängen und Josh Brolin wird nervös, wenn er nicht am Set auftaucht: Ein ehemaliger Obdachloser ist das Faktotum der New Yorker Filmszene. In über 100 Filmen spielte er bereits mit, nun bekommt er vielleicht sogar seine eigene TV-Serie.

Gut auszusehen und eine gepflegte Erscheinung zu haben ist für die allermeisten Schauspieler Voraussetzung für den Erfolg. Wer schön ist und bei wem Zähne, Figur und Frisur tadellos sind, der hat meist auch die besseren Chancen auf eine Rolle in einem Film. Kein Wunder also, dass in Hollywood Eitelkeit als erstrebenswerte Tugend gilt und immer mehr junge Schauspieler einander ähnlich sehen, austausch- und verwechselbar wie japanische Neuwagen. Aber Hollywood ist zum Glück nicht überall. Auch in New York werden Filme gedreht, und nur hier kann ein Mann wie Radioman, der so aussieht, als wäre er gerade aus einem Altkleidercontainer gestiegen, ein stadtbekannter Filmstar werden.

NEW YORK, NY - APRIL 17: Radio Man is seen in Tribeca on April 17, 2013 in New York City. (Photo by Alo Ceballos/FilmMagic)
Craig Castaldo, besser bekannt als „Radioman”

Radioman, mit bürgerlichem Namen Craig Castaldo, ist 64 Jahre alt, und im Laufe seiner gut 20 Jahre währenden Filmkarriere hat er es auf über 100 Auftritte in Filmen und Fernsehserien gebracht. Manche davon waren reine Background-Rollen: in „Wall Street: Geld schläft nicht“ strampelt er auf einem Fahrrad an den Hauptdarstellern Shia LaBeouf und Frank Langella vorbei, in „Godzilla“ versucht er vor dem tobenden Monster zu fliehen und wird zu Tode getrampelt, in Martin Scorseses „Shutter Island“ spielt er einen geisteskranken Kriminellen, der, in Ketten gelegt, im Garten arbeitet und Leonardo DiCaprio einen Blick zuwirft, an dem dieser seinen Hut aufhängen könnte. Er hatte auch schon größere Parts, bei denen er ein paar Zeilen sagen durfte, in Adam Sandlers „Mr. Deeds“ beispielsweise und in der Fernsehserie „30 Rock“, in der er gleich mehrmals auftrat. Und wenn es nach Radioman geht, ist das erst der Anfang: „Mein Agent und ich arbeiten gerade an einer Serie, die auf meinen Erlebnissen in der Filmbranche beruht. Eine Komödie mit viel improvisierten Dialogen, so ähnlich wie in Larry Davids Serie ‚Curb Your Enthusiasm‘. HBO und Showtime haben schon Interesse angemeldet.“

HBO? Showtime?? Ein eigener Agent??? Man weiß gar nicht, worüber man sich zuerst wundern soll, und wenn Radioman erst einmal anfängt zu erzählen, kommt man aus dem Staunen kaum noch heraus. 2012 wurde sogar eine Dokumentation über ihn gedreht, und gleich in den ersten zehn Minuten der Doku wird deutlich, dass Radioman ein ziemlich einmaliger Vogel ist.

„Ich dachte, er kommt von einem anderen Planeten oder er ist Milliardär. Oder beides“, erinnert sich Johnny Depp darin an seine erste Begegnung mit Radioman. George Clooney und Regisseur Joel Schumacher halten ihn für „so typisch für New York“ wie sonst nur noch das Empire State Building oder die Freiheitsstatue, und auch Josh Brolin, Robin Williams, Tom Hanks und Meryl Streep haben Loblieder auf Radioman gesungen und ihn eine „kulturelle Institution“, „den treuesten Filmfan überhaupt“ und schlicht „liebenswert“ genannt.

Alo Ceballos FilmMagic