Rammstein
DER LETZTE BESUCH VON RAMMSTEIN IN KALIFORNIEN ist noch nicht so lange her, und er wird auch noch etwas in Erinnerung bleiben. Damals, im Dezember ’97, beim KMFDM-Support, wurde der Band nicht nur verboten, auf der Bühne die beliebten Feuerspielereien abzufeiern, nein, Rammstein wurde die gesamte Pyrotechnik-Gerätschaft beschlagnahmt und das ganze als Präventivmaßnahme begründet. Warum beim zweiten Versuch im „Palace“ plötzlich alles erlaubt war, der Henker mag es wissen. Daß die sechs Ostdeutschen heute Abend auf Headliner-Tour mit ihrem kompletten Pyro-Spielkram angereist sind, muß sich jedenfalls in der Szene herumgesprochen haben. Immerhin klebt an der Band in den USA das hohe Lob, die Live-Shows von Marilyn Manson und Kiss wie Disney-Veranstaltungen aussehen zu lassen. Und so etwas lassen sich die wenigsten Amerikaner entgehen. Hauptsache Event! Die Chance auf mehr Live-Entertainment als normal, gepaart mit Haudrauf-Mentalität, geht speziell in Los Angeles nicht ohne das dafür prädestinierte Publikum über die Bühne. So waren sie alle da, die kurzhosigen Skaterpunks, die lederbemantelten Langhaargrufts und die blutjungen Frauen in hautengen Rammstein-Shirts. Keine Ahnung, was sie sich außer Entertainment erwarten. Auf jeden Fall bekommen sie, was sie wollen. Netter Nebeneffekt Rammstein müssen sich nicht einmal auf ihr Publikum neu einstellen. Ihre Show ist das exakte Abziehbild ihrer deutschen Auftritte. Aber warum sollen sie auch etwas ändern? Was in Europa funktioniert, sollte auch in den USA funktionieren. Wie recht sie haben! Also kommt Till Lindemann beim Opener „Rammstein“ brennend auf die Bühne, also werden Gummipenis (inklusive sechs Liter Ejakulat) und siebenschwänzige Peitsche ausgepackt, also surft auch Keyboarder Flake per Gummiboot über die johlende Menge, also explodieren Böller, brennen Mikrophonständer und güldene Armbrüste. Die Hits sind auch hier „Engel“ und „Du hast“-alles wiegehabt, alles wie in der fernen Heimat. Bei „Bestrafe mich“ wird der Refrain kräftigst mitgesungen, ebenso bei „Rette mich“ (anscheinend geht dem Amerikaner das Wort „mich“ leicht von der Zunge). Garniert werden die Begeisterungsbekundungen dann noch ab und an mit einem zackigen „Heil“- inklusive dazugehöriger Armbewegung. Den jungen Amerikanern im Haus sind irgendwelche vermeintlichen politischen Beweg- und Hintergründe mehr als wurscht. Ihr Hantieren mit gestrigen Gesten und Sprüchen, die vielleicht einen Europäer nervös werden lassen, ist geprägt von sorgloser Ignoranz. Rammstein werden verehrt und gefeiert, wegen ihrer Musik, besonders aber wegen ihrer Show. Die gestählten Körper, der echte Schweiß, das Feuer und die exotisch rrrollenden „r'“s-das ist Teutonen-Folklore nach amerikanischem Gusto. Nüchtern betrachtet ist das, was hier im „Palace“ knapp 90 Minuten lang über die Bühne geht, nichts anderes als ein gutes Konzert. Professionell, gründlich, ehrlich und deutsch. Deutsch? Deutsch!