A Tribe Called Quest
We Got It From Here… Thank You 4 Your Service
Epic/Sony
Hashtag Rentenaufbesserungsmaßnahme? Von wegen. Das erste Album der HipHop-Herzensband seit knapp 20 Jahren ist konsequent und kraftvoll.
Eins vorweg: Ich wollte dieses Album gut finden, ganz dringend. A Tribe Called Quest sind die wahre Herzensband meiner Generation. Wer in den 90er-Jahren auch nur ein Fünkchen Liebe für HipHop übrig hatte, weiß warum. Alle anderen haben jetzt – recht unverhofft – die Gelegenheit, das alles in kompakter Form nachzuholen. WE GOT IT FROM HERE… THANK YOU 4 YOUR SERVICE, das erste Tribe-Album seit wahrhaft schwindelerregenden 18 (!) Jahren, ist nicht nur der saubere Schlussstrich fürs persönliche Seelenheil. Es fügt dem ohnehin übermenschlichen Vermächtnis der Gruppe tatsächlich noch Nennenswertes hinzu. Ganz selbstverständlich lassen Q-Tip, Phife Dawg und ein blendend aufgelegter Jarobi White das Mikrophon kreisen, so als hätten sie das Studio seit 1989 nicht mehr verlassen. Gleichzeitig merkt man der Platte an, dass den Beteiligten die historische Tragweite ihrer Unternehmung sehr wohl bewusst war. Ein Tribe-Album, das muss etwas Besonderes werden, das ist eine verdammte Schuld gegenüber dem Schönen und Guten, das dieser Tage mal wieder besonders gründlich mit Füßen getreten wird.
Die Zankhähne Tip und Phife (einen Einblick in das oft schwierige Verhältnis der beiden ungleichen Schulfreunde gibt der schonungslos therapeutische Dokufilm „Beats, Rhymes & Life: The Travels Of A Tribe Called Quest“) haben sich nicht nur ernsthaft zusammengerauft, sondern direkt auch alte Weggefährten wie Busta Rhymes und Consequence sowie all jene zusammengetrommelt, die ihr Erbe über die Jahre besonders hingebungsvoll gepflegt haben: André 3000, Talib Kweli, Kanye West, Kendrick Lamar, Anderson .Paak. Gemeinsam machen sie Musik, die in ihrem eigenen Kontinuum von Raum, Zeit und Style existiert.
WE GOT IT FROM HERE… ist der saubere Schlussstrich fürs persönliche Seelenheil
Mit befreundeten Musiker wie Louis Cato, Casey Benjamin, Masayuki „Bigyuki“ Hirano oder Chris Sholar spielt Q-Tip einen sehr konkreten, immer mal wieder unbequemen Jazz; die wenigen Samples kommen von Can und Black Sabbath. Dazu bietet er eine würdige Alternative zum pervertierten Selbstermächtigungsnarrativ von Trump & Co. „Your simple voodoo is so maniacal, we’re liable to pull a juju“, rappt Q-Tip auf „We The People…“ und das sollte man nicht als bloßen Kunstgriff eines geschichtsbewussten MCs missverstehen. Immer wieder gehen Tribe auf dem Album auf die gesellschaftlichen Umständen ihres Schaffens ein, auf Rassismus und Black Lives Matter, soziale Ungleichheit und unwidersprochene Ignoranz. Natürlich tun sie das, wie auch nicht? Dennoch lassen sie sich den Spaß an ihrer Kunst nicht nehmen, auch das ist bei den Native Tongues Ehrensache und weit mehr als bloßer Eskapismus.
Ein Album, das mitten ins Herz trifft
Das beste Beispiel ist hier der letzte Song „The Donald“, der sich ausnahmsweise nicht um den Demagogen im Weißen Haus dreht, sondern um Phife Dawg aka Don Juice aka den wahren Donald. Eingerahmt von Busta und Tip feuerspuckt sich der kleine heimliche Lieblingsrapper deiner Lieblingsrapper in die Ewigkeit, Zeile für Zeile: „Leave the iPhones home, skillsets must be shown. I’ma show you the real meaning of the danger zone.” Im März 2016 ist er viel zu früh verstorben, lange geplagt von Diabetes, in jenem Moment dennoch völlig überraschend. Sein Tod hätte zum traumatischen Erlebnis werden und das Ende dieser Platte bedeuten können. Doch Q-Tip hat sie im Sinne aller fertiggestellt und seinem Freund ein Denkmal gesetzt. Der Umgang mit dem Elefanten im Raum ist dabei frei von Pathos und Kitsch, Tribes „I’ll Be Missing You“-Moment bleibt aus. Stattdessen haben Q-Tip und Jarobi einen radikalen Song über Verlust geschrieben und Phife als den Rapper in Szene gesetzt, der er war: bodenständig, witzig, im rechten Maße streitlustig.
„Phife Dawg“ sind dann auch die letzten Worte auf dem Album. Einem Album, das auch deswegen so gut ist, weil es sein Publikum in einem Moment der Bitterkeit ganz unerwartet mitten ins Herz trifft.