Algiers
The Underside Of Power
Matador/Beggars/Indigo (VÖ: 23.6.)
Die Hohepriester der Sozialkritik zelebrieren ihre Gothic-Gospel-Messe mit heiligem Ernst.
„In Amerika ist es Tradition, den schwarzen Körper zu zerstören“, schreibt der US-amerikanische Publizist Ta-Nehisi Coates in seinem Werk „Zwischen mir und der Welt“. Eine Tradition, die sich in den USA heute durch rassistische Polizeigewalt und Racial Profiling äußert, durch „Muslim Ban“ und Marginalisierung. James Fishers Antwort auf den rechten Backlash: Musik zu schaffen, die so mächtig ist, dass kein Projektil sie vernichten kann.
Mit seiner in Atlanta, New York und London ansässigen Band Algiers ist er angetreten, um Gospel mit der Wucht des Punk gegen die Verhältnisse zu richten. Am Schlagzeug unterstützt von Matt Tong, einst Mitglied von Bloc Party, und Produzent Adrian Utley von Portishead, festigen Algiers nach ihrem fulminanten Debüt von 2015 ihren Status als Hohepriester der Sozialkritik.
Gleich die Titelsingle ihres Zweitwerks THE UNDERSIDE OF POWER macht deutlich, wie viel Reibungswärme entsteht, lässt man Industrialsounds und Soul kollidieren: Durch die unheilvolle Dunkelheit scheint sich Fishers Stimme partisanengleich anzupirschen, bevor sich der Song in einem strahlenden, kraftvollen Refrain entlädt. Eisig hallen die Gitarren in „Death March“. „The Cycle/The Spiral: Time To Go Down Slowly“ hingegen deutet mit nervöser Percussion an, was passieren könnte, sollten Algiers den Aufbruch gen Jazz wagen.
Aus Gospel, Rock und Verzweiflung schafft die Band ein Album, das oft klingt, als bäume sich ein Kerzenlicht zum Flächenbrand auf. In dieser Dystopie liegt eine Kraft, die Heilung verspricht. THE UNDERSIDE OF POWER ist kein Denkzettelchen, keine freundliche Anregung, sich über die Ungerechtigkeit in der Welt zu empören. Algiers zelebrieren ihre schwarze Messe mit heiligen Ernst, frei von Ironie oder Kompromissbereitschaft. Und das ist großartig. Wir brauchen sie, diese raumgreifende Wut, in den USA und überall.