Neneh Cherry
Blank Project
Smalltown Supersound/Rough Trade (VÖ: 28.2.)
Sparsamst-Funk, Elektro-Gospel und Future-Dubstep. Und so etwas wie ein Sprung in die Ursuppe des Pop.
Das Label Smalltown Supersound ist einer kleinen Fangemeinde für Exkursionen in schwer begehbare Randgebiete von Jazz, Elektronik und Rock bekannt. 2012 veröffentlichte Neneh Cherry eine Coverversionenplatte mit der Freejazz/ Noise-Band The Thing bei dem Indie aus Oslo. Neneh Cherry auf einem rührigen Nischenlabel? BLANK PROJECT ist die konsequente Fortsetzung der sehr freien Zusammenarbeit mit The Thing, ein Sprung in die Ursuppe des Pop, die nur wenige Zutaten braucht. Erster Eindruck: ein Gospel- und Heavy-Percussion-Album, aber so ganz werden diese Begriffe dem nicht gerecht, was die Sängerin und Songwriterin hier in Angriff nimmt.
Die Elektronik sitzt Cherry im Nacken, und ihre Rolle steht im reziproken Verhältnis zum sparsamen Einsatz – ein paar Synthesizerlinien und Geräusche aus dem Speicher von Secondhand-Keyboards, mehr braucht’s nicht, um dieses Projekt klanglich einzunorden. Dass Cherrys Landsfrau Robyn auf „Out Of The Black“ mitsingt, hätten wir fast überhört. Viel wichtiger sind die Beiträge der Londoner Elektrokrauter RocketNumberNine und Kieran Hebdens, der produziert hat und für eine gewisse Knusprigkeit verantwortlich zeichnet, für extrem klare Linien, wie man sie zuletzt auf Four-Tet-Alben nicht mehr gehört hat. Ein kühler Funkwind weht durch Tracks wie „Dossier“ und „Spit Three Times“, Neneh Cherrys Stimme rollt mit einer Leichtigkeit über Sub-Bässe und Beats, die man so manchem Dubstep-Vokalisten wün- schen würde.
Das finale „Everything“ reklamiert gerade die Pole Position für den Alternative- Disco-Parcours 2014, mit einem unvergleichbaren Ziegenmeckergesang Cherrys – groß, wild, konkurrenzlos. „Weightless“ beginnt mit übersteuerten Postpunkgitarren, wird dann von der Sängerin in eine dunkle R’n’B-Kaschemme verlegt, wo Hebden schon den DJ-Part übernommen hat. „Naked“ heißt der vielleicht vollständigste Beitrag des Albums, Neneh Cherry fährt mit ihren „Yeahs“ und „Ohohohs“ zwischen die Breakbeats – Erinnerungen an so etwas wie Soul, die sich hier ihren Weg über holprige Schotterpisten bahnen.
Das hat weit mehr von den urgewaltigen, atemlosen und spitzen Frühachtziger-Arbeiten mit der Band Rip Rig + Panic (Neneh als 16-Jährige) als von dem, was die Sängerin Cherry später in die Charts spülte („Buffalo Stance“, „7 Seconds“). Es ist im Unterschied zu allem, was Neneh Cherry bislang veröffentlicht hat, ein Manifest der Simplizität, eine Musik, die Ordnung in Komplexität bringt. Nehmen wir das als Richtungsanzeiger für den Pop, der gerade so sehr unter den Vorgaben einer Schicht-auf-Schicht-Ästhetik ächzt. Als Einsteigerprogramm bestens geeignet: Gesundschrumpfen mit Neneh Cherry.