The Jeffrey Lee Pierce Sessions Project
Axels & Sockets
Glitterhouse/Indigo
Stars des Pop und Alternative Rock füllen Skizzen des verstorbenen Gun Clubbers Jeffrey Lee Pierce.
Man stelle sich vor, Tony Chmelik alias Cypress Grove hätte irgendeine Firma engagiert, um seinen Dachboden in London zu entrümpeln. Ein Karton mit der Aufschrift „JLP Songs“ wäre wahrscheinlich im Müll gelandet. Zum Glück kam es anders, und so sicherte der eng mit Jeffrey Lee Pierce befreundete Musiker nicht nur den Nachlass des 1996 verstorbenen Frontmanns des amerikanischen The Gun Club, er rief auch das „Jeffrey Lee Pierce Sessions Project“ ins Leben. Nach WE ARE ONLY RIDERs (2010) und THE JOURNEY IS LONG (2012) – beide Titel basieren auf Textzeilen von Pierce – folgt nun schon der dritte Teil.
Grundsätzlich funktioniert auch AXELS & SOCKETS wie die beiden Vorgänger, deren ausformulierte Lieder auf verworfenen Songideen, Fragmenten, Textblättern und Skizzen von Pierce, der einige Jahre in London lebte, basieren. Stellenweise in katastrophaler Tonqualität, manchmal nur auf Papier, aber doch zu wertvoll, um sie nicht zu Ende zu entwickeln. Meistens geschieht das auch auf dem dritten Sessions Project „im Sinne“ des Autors. Vor allem, wenn Weggefährten, Brüder und Schwestern im Geiste wie Nick Cave, Debbie Harry (Blondie), Lydia Lunch, Mark Lanegan, Cypress Grove oder Hugo Race beteiligt sind.
Dann geht die Reise auch mal zurück in den bluesgetränkten Alternative-Rock der 80er-Jahre. Ganz wunderbar gelingt das Nick Cave zusammen mit Thurston Moore und Iggy Pop in „Nobody’s City“ (auf der remasterten Version von MOTHER JUNO zu finden) oder Debbie Harry mit The Amber Lights in „Kisses For My President“. Zudem gehört das Duett der Punk-New Wave-Ikone mit Nick Cave („Into The Fire“) zu den Höhepunkten des Albums. Slim Cessna’s Auto Club dagegen richten den Blick nicht zurück, eher auf sich selber. So verhält es sich auch mit Primal Scream und „Goodbye Johnny“, einem komplett anderen Song als das gleichnamige Stück, das sich auf FIRE OF LOVE findet.
Eigentlich sollte dieser wunderbare Song, den Pierce unverständlicherweise ignorierte, auf THE JOURNEY IS LONG landen, aber Bobby Gillespie war derart angetan, dass er darum bat, ihn für MORE LIGHT verwenden zu dürfen. Deshalb findet sich nun ein moderner Mix von Andrew Weatherall auf AXELS & SOCKETS, das durch Beiträge von Andrea Schroeder, James Johnston, Bertrand Cantat und Mark Stewart abgerundet wird. Zwei Jahre nahm das Projekt in Anspruch, denn die große Zahl der Gäste, die räumliche Distanz zwischen ihnen und dazu die persönlichen Terminkalender bereiteten Hürden, die nur durch eine bemerkenswerte Vernetzung untereinander genommen werden konnten.
Manchmal wurden die Duette mit allen Beteiligten eingespielt, manchmal entstanden sie an unterschiedlichen Orten. Was letztendlich zu keinem harmonischen Werk führte oder führen konnte. Aber das war das von Pierce mit seinen Ausschlägen von herzergreifenden Balladen bis hin zu krachendem Alternative-Blues ja nun auch nicht.