Weyes Blood
Titanic Rising
Sub Pop/Cargo (VÖ: 5.4.)
Große US-Singer/Songwriterkunst zwischen Nacht und Zwielicht.
Vor Kurzem zeigte Arte die exzellente Dokumentation „Too Young To Die“ über Karen Carpenter. Ihre nicht gestillte Sehnsucht nach einem normalen Leben machte tieftraurig. Aber was war sie für eine großartige Sängerin! Es kann kein Zufall sein, dass wenige Tage später das neue Album von Natalie Mering in der Post war, die sich Weyes Blood nennt, weil sie klug genug ist, Kunstperson und Privatmensch zu trennen.
Amazon„A Lot’s Gonna Change“ heißt das erste Stück, und so, wie Weyes Blood es singt, denkt man sofort an die Carpenters, an „Superstar“ und „Yesterday Once More“, an diese dramatische Eleganz und die Erkenntnis, dass alles, was ist, verblassen wird – zugunsten einer ungewissen Zukunft. Schon FRONT ROW SEAT TO EARTH, das zweite Album von Weyes Blood von 2016, war ein großer Wurf, TITANIC RISING ist noch geschlossener und konsequenter.
„Everyday“ möchte man im Radio hören, im Zwielicht eines zu Ende gehenden Tages, „Andromeda“ ist Nachtmusik, eine Melodie so großzügig wie der Vollmond. Immer wieder singt Weyes Blood von der Müdigkeit und vom letzten Aufbäumen, von zu viel Kaffee und einer Liebe, die unsinnigerweise mehr Kraft kostet, als sie spendet. In der zweiten Hälfte driftet TITANIC RISING dann kurz ins Kosmische ab, die Sängerin träumt albtraumhaft wirr von Filmen und Spiegeln, die Musik wird unruhig. Das Ende ist ein Flehen: „Picture Me Better“, mit einer zutiefst amerikanischen Melodie zwischen Jimmy Webb, Joni Mitchell und Frank Sinatra. Es folgt noch ein kunstvolles Outro für Streicher, dann fällt der Vorhang. Keine Fragen offen: ein Meisterwerk.