Richard T. Bear
Richard T. Bear ist nicht Helen Schneider. Zwar kannte ihn hierzulande auch kaum einer, ehe er mit seiner Band in Hamburg explodierte und plötzlich Thema Nummer 1 zahlreicher Journalisten wurde, aber daheim in New York, da ist er eben auch schon wer! Nicht gerade zimperlich, wenn es um die eigene Imagepflege geht, malt er genüßlich das Bild eines Studio-Monsters, Tourneekillers, Rock'n'Roll-Tieres... Alles, was wir hier zu seiner Person wiedergeben, stammt aus seinem (grossen) Mund und mag sich zum Teil wirklich so ereignet haben...
Bereits Ende April geisterte der Name Richard T. Bear durch Hamburgs Insider-Cliquen. Damals hatte er mit einem Gastspiel in Hamburgs „Onkel Pö“ erst mal zur Probe ein bißchen abgeräumt, die Leute auf sich aufmerksam gemacht, damit er zwei Monate später sein Publikum für eine Live-LP zusammen hatte. Und das muß man ihm lassen: Er kam mit viel Getöse, und als er ging waren das Dach vom Pö und die Herzen einiger Hamburger Deerns reparaturbedürftig. Der Bär hatte sie alle im Vorbeiflug erobert, von den Gemütern einiger harter Rock-Freaksganz zu schweigen.
Mit dem Album, „Captured Alive“, war dann allerdings doch nicht der ganz große Staat zu machen, da die Mischung in den Höhen sowie den Tiefen nicht hinhaute. Dafür gibt es in den nächsten Wochen aber schon eine neue Studio-LP mit dem beziehungsreichen Titel „Bear“. Einen kurzen Vorgeschmack daraufliefert schon jetzt die Single „Ruby Tuesday“, ein Titel in dem das stämmige Großmaul (im Duett mit Kathy Ingraham aus seiner Band) jede Menge Feeling investierte. Zu den gestandenen Rock’n’Rollern, die auf Richard und seine Band abfuhren, gehört auch Inga Rumpf. In New York arbeiteten die zwei gemeinsam an Ingas neuer LP „I Know Who I Am“, doch davon ein anderesmal.
Als Richard Gerstein sei er in New York, wie er sagt, schließlich eine beachtliche Studionummer: er habe mit Richie Havens gearbeitet, mit Carlie Simon getourt, und sei für Sessions mit Dave Mason, Jeff Beck, Traffic, Grateful Dead und King Curtis verpflichtet worden. 1974 habe er zusammen mit Gene Cornish und Dino Danelli von den Rascals in einer Band namens Bulldog gespielt.
Die Geschichte seiner „Entdeckung“ schildert er so: Vor zwölf Jahren habe er in einem Musikgeschäft in Manhatten gearbeitet. Ambitionierte Amateure, die in diesen renommierten Läden jobben, warten im Grunde nur auf populäre Musiker, mit denen sie auf diese Weise ins Gespräch kommen können. Und Richard hatte Glück! So unglaublich es klingen mag: eines Tages kamen Jorma Kaukonen und Jack Casady von Jefferson Airplane in den Laden. Laut Richard namen sie ihn noch am selben Abend mit ins Fillmore East und ließen ihn sogar gleich mitspielen. Eine längere Liaison mit der Band habe sich daraus zwar nicht ergeben, aber dafür habe er plötzlich einen Ruf als Klasse-Pianist genossen. Irgendwann will er auch mal bei den frühen Allman Brothers mitgespielt haben.
1974 habe er auch für das Fernsehen zu arbeiten begonnen: „Ein TV-Special mit dem Titel The Bridge Of Adam Rusti brachte mir sogar eine Emmy-Nominierung ein.“ Nebenher habe er sich mit allerlei TV-Cornmercials viele Dollars verdient, erzählt Richard, bis er sich eines Tages schließlich nur noch aufs Komponieren und Songschreiben konzentrierte.
Er änderte seinen Namen in Richard T. (= the) Bear um, und spielte sein Debüt „Red Hot & Blue“ ein, für das er Musiker wie Les Dudek, Mike Finnigan, Alan Schwartzberg, Elliott Randall und die Brecker Brothers verpflichten konnte. Verschiedene Tourneen als Anheizer für Stars brachten ihm zwar eine Top 40-Plazierung für seine Single „Sunshine Hotel“, doch seine Arbeitgeber, die jeweils al£ Haupt-Act auftraten, machten ihm nach und nach alle Ärger. Denn meistens, so erzählt der Bär, verausgabte er sich mit seiner Band dermaßen, daß danach kein Land mehr zu sehen war. „Johnny Winter war in Atlanta so zickig, weil wir ihm die Show gestohlen hatten, daß er uns am nächsten Abend nicht mehr haben wollte“ Zwei Gigs durften wir dann noch spielen. Die Outlaws haben uns auch rausgeschmissen. Boston an die Wand zu spielen, dürfte wohl kaum ein Meisterstück sein, bei Black Sabbath haben wir uns nicht mal Mühe gegeben. Aber auch die strichen uns bald von ihrer Vorprogrammliste…“
Rock’n’Roll ist seine Philosophie. Er.erinnert dabei ein bißchen an Bruce Springsteen, Southside Johnny oder Meat Loaf. „Wir sind alle Gassenjungs. In den Straßen von New York kocht eben der Rock’n‘-Roll, man muß ihn nur aufheben…“ Von Meat Loaf hat er auch den Gitarristen Bob Kulich und den Keyboard-Mann Paul Glanz übernommen. „Die spielten über ein Jahr lang bei Meat, und dann hat er sie nicht mal für sein zweites Album genommen. Da wäre ich auch ausgestiegen…“
Richard T. Bear hatte offensichtlich mehr Vertrauen, denn als er sein Live-Album Mitte Juni im Pö aufnahm, war dies auch sein erster Auftritt mit dem neuen Band Line-Up. Mit Kathy Ingraham und Christine Faith als Chorsängerinnen,Mark Clark, Bass, John Bolin, Schlagzeug; Bob Kulich, Gitarre;Paul Glanz, Keyboards; Lou Cortelezzi, Altsax und Bob Garlund, Percussion, stand in der Tat eine Band auf der Bühne, die die Musik von Bear voll im Griff hatte. Vom Blues über R & B bis hin zum Rock’n‘-Roll war alles geboten. Ein Slogan machte blitzschnell die Runde: „Der Bär ist los.“ Und als er sich mit einem Konzert in der Hamburger Markthalle verabschiedete, sangen viele seine Songs schon mit. Dafür braucht man keinen ausgetüftelten Promotionplan, diese Rakete zündete von ganz allein.
Ob er in den Staaten nun wirklich eine so große Nummer ist oder nicht: Hamburg spielte in seiner Karriere eine ebenso entscheidende Rolle wie in der Erfolgskurve von Al Jarreau oder Miß Schneider. „Ich glaube, daß ich in Zukunft etwa vier Monate pro Jahr in Hamburg verbringen werde, denn hier kann ich die Energie loswerden, die ich in den restlichen Monaten in New York auftanke…“ (Hoffentlich hat er seinen Mund nicht zu weit aufgerissen. Die Red.)