Riot Grrrl trifft auf Garage-Rock: Worum es CAVA auf ihrem Album DAMAGE CONTROL geht


Schadensbegrenzung: Am 10. März erschien ihr Debütalbum, genau zwei Wochen später startete ihre Tour. Hier erfahrt Ihr anhand der Platte, was Cava und ihre Musik ausmacht – und alle Tour-Daten.

Am 10. März 2023 brachte das in Berlin ansässige Duo CAVA sein Debütalbum DAMAGE CONTROL heraus. Mit diesem sind sie seit dem 24. März auf einer elf Auftritte umfassenden Deutschland- und Österreich-Tour unterwegs. Was macht CAVA musikalisch wie inhaltlich aus?

Das von ihren Fans lang ersehnte erste Album folgt auf die selbstbetitelte EP aus dem Jahr 2021, auf der – wie auch an dritter Stelle auf dem Langspieler – der Song „Many Nights“ vertreten ist. Anhand des Stücks lässt sich auch ein roter Faden ihres musikalischen Schaffens erkennen: Riot Grrrl trifft auf Garage-Rock. Fühlt man sich durch das Riff auch nur den Hauch einer Sekunde an Franz Ferdinands „Take Me Out“ erinnert, zerschlagen spätestens das aggressive, von Beckenschlägen durchtriebene Schlagzeug und der nahezu frustrierte Gesang den Gedanken an den Indie-Rock-Klassiker.

Das New Yorker Riot-Grrrl-Trio erweitert die Grenzen des Shitgaze.

Die A-Seite 

DAMAGE CONTROL umfasst zwölf Songs und beginnt mit einem Schrei. „Toothache“ heißt das erste Lied, aber die Frage, ob ebendiese Zahnschmerzen der tatsächliche Auslöser für den Schrei sind, stellt sich nicht, denn die von den beiden Mitgliedern Peppi und Mela geschriebenen Lieder sind feinster Garagen-Punk zwischen Frust und Animation zum Tanzen. Mit dem Beginn der fünften Nummer nehmen sie sich dann eine kurze Tempo-Pause. „Touch My Skin“ bahnt sich wie ein Unwetter an. Unverhofft entlädt sich die aufgebaute Spannung: „I am just a casuality in your fuckin life / a victim of my body / a victim of my feelings / for you I’ll bleed“ (dt. „Ich bin nur ein Unfallopfer deines verdammten Lebens / Ein Opfer meines Körpers / Ein Opfer meiner Gefühle / Für dich werde ich bluten“). Es folgt mit „8:00 AM“ ihr bis dato dreckigstes Gitarrenriff, durch dessen Feedback das Ende des Songs hinausgezögert wird. Und dann – ausschließlich auf der Pressung – ein Hidden Track, der die A-Seite komplettiert.

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Blue Monday und die Depressionen

Die B-Seite startet mit einem Song, der beispielhaft für den Inhalt des musikalischen Schaffens der Band verstanden werden kann: „Blue Monday“. Dabei besteht bis auf des Titels keinerlei Referenz zu der gleichnamigen, weltweit meistverkauften 12″-Single, die New Order vor 40 Jahren veröffentlichte.

Mit dem „Blue Monday“ versuchte der britische Psychologe Cliff Arnall den traurigsten Tag im Jahr zu errechnen und kam dabei auf den dritten Montag im Januar. Wissenschaftlich mindestens umstritten, eher unhaltbar, greifen Mela und Peppi den Begriff auf, haben den „traurigsten Tag im Jahr“, allerdings frequentierter und zeigen auf, dass es dabei um mehr als einfache schlechte Laune geht, indem klassische Symptome einer Depression beschrieben werden. Gekoppelt mit dem Albumtitel erweckt das Stück so das Gefühl,  dass die titelgebende Schadensbegrenzung einen Teil vieler Lebensrealitäten und einen für viele nachvollziehbaren Grundsatz darzustellen scheint, der die alltäglichen Bürden der jüngeren Generationen thematisiert, die sich dabei konsequenterweise sowohl auf das persönliche Empfinden, also die Selbstwahrnehmung, als auch auf das Zwischenmenschliche auswirken. Gerade, aber nicht ausschließlich, unter jungen Menschen steigen durch aktuelle Probleme wie Zukunftsangst wegen des Klimawandels, der Lohnentwicklung, der europaweit geführten Rentendebatten, steigender Belastung und immer größer werdender Ungleichheit und Hoffnungslosigkeit die psychischen Probleme.

 „Schätzungsweise 16 bis 20 von 100 Menschen erkranken irgendwann in ihrem Leben mindestens einmal an einer Depression oder einer chronisch depressiven Verstimmung“, ist der Seite des Ministeriums für Gesundheit über die „Volkskrankheit“ zu entnehmen.

Bei Depressionen und Selbstmordgedanken: Wo Ihr Hilfe und Unterstützung finden könnt

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Inhaltlich bewegen sich CAVA fließend und lassen sich dadurch nicht in eine Sparte einordnen. Geht es ihnen zwar auch um Feminismus – dessen Wichtigkeit natürlich nicht genug betont werden kann – würde es der LP und der Band nicht gerecht werden, es thematisch darauf zu beschränken.

Trotz seiner teilweise zum Tanzen animierenden Songs scheint dem Album dennoch eine gewisse grundsätzliche Verzweiflung innezuwohnen. Diese ordnet die Schadensbegrenzung in verschiedene Bereiche des alltäglichen Lebens ein, manchmal selbst in Form von der Bandnamen gebenden „spanischen Antwort auf Sekt“, wie der katalonische Schaumwein mal beschrieben wurde, sodass CAVA zwischen Party und Kater balancieren. Eine Verzweiflung, die vielleicht daher rührt, dass das Ziel einer Generation nicht die Schadensbegrenzung sein sollte. Das eigentlich auf der Hand liegende Ziel sollte sein, innerhalb der Gesellschaft unabhängig der Generationen ein Ganzes zu bilden, in dem den Einzelnen erst gar kein Schaden zugefügt wird. „Aber vielleicht haben die anderen keine Hand“, um mit den Worten Ronald M. Schernikaus abzuschließen.

CAVACATION-Tour

(24.03. Leipzig // Kopfsalat)
(25.03. Fürth // Kunstkeller)
(26.03. München // Kafe Kult)
28.03. Stuttgart // Prisma
29.03. Marburg //Café Trauma
30.03. Köln // Nieler Freiheit
31.03. Hannover // Bei Chez Heinz
01.04. Kassel // Kulturfabrik
02.04. Weimar // Gerber
06.04. Hamburg // Slot
13.04. Wien // Fluc
14.04. Graz // Sub
15.04. Linz // Kapu

Bei „Freunde fürs Leben“ gibt es Infos, wie Ihr Angehörigen, aber auch Euch selbst helfen könnt. Unter der Nummer: 08001110111 erreicht Ihr 24/7 eine Telefon-Seelsorge.