Robbie Williams: Berlin, Columbiahalle


BEVOR DAS LICHT AUSGEHT, SIND VIELE DER Anwesenden noch von Kopf bis Fuß auf Teenie-Popshow eingestellt: Die neue H&M-Kollektion wird zur Schau getragen, schnell einen Schnappschuß („meine Freundin und ich bei Robbiiieeee“) mit der Pocket-Kamera geknipst. Heiß diskutiert wird nicht die Musik, sondern die Frisur des Bassisten von Gay Dad, jener glampoppenden Truppe, die Robbie Williams als Tour-Support eingeladen hat. Die stocksteife, eitle und wenig ausdrucksvolle Live-Präsentation des britischen Quintetts ist auch wahrlich nicht viel mehr Rede wert. Dann geht das Licht zum zweiten Mal aus, ein paar winkende Schatten in der Dunkelheit werden ausgiebig bekreischt – er ist da. Robbie Williams eröffnet das Konzert mit dem programmatischsten Titel seiner jungen Solokarriere: „Let Me Entertain You“ sagt alles über die Beweggründe für sein Dasein als Bühnenkünstler. Und indem er die Unterhaltung in den Vordergrund stellt, schafft sich Williams einen Spielraum, den man auch als Narrenfreiheit bezeichnen könnte. Spätestens wenn er inmitten einer- mit aufrechtem Schmelz geschmetterten – Schmusenummer plötzlich ein trauriges Chaplin-Gesicht zieht, wird deutlich, wie unverkrampft Robbie seine Rolle definiert: Er ist Interpret. Nicht mehr, nicht weniger. Scheiß auf den ganzen Zwang zur Authentizität, den die Rockmusik seit dreißig Jahren wie einen Klotz am Bein hinter sich herschleift. Robbie unternimmt erst gar nicht die Anstrengung, sich Abend für Abend und Song für Song in eine jeweils angemessene Stimmung zu zwängen. Für ihn zählt nur, daß alle Anwesenden eine möglichst gute Zeit haben. Robbie erstetzt die alberne „Wir teilen das Haus in zwei Hälften und dann schreien die einen lauter als die anderen“-Orgie durch eine Pantomime, die letztlich das gleiche Ergebnis zeitigt. Er bittet die Gemeinde (in der selbstverständlich unbestuhlten Halle), das unter den Stühlen liegende Gesangbuch hervorzuholen, Lied Nummer 35 aufzuschlagen und dem Herrgott das wunderschöne „Angel“ entgegenzuschmettern. Das tun die Versammelten liebend gern, während Robbie dazu schweigend und kipperauchend am Mikro-Ständer lehnt. Bei Zugaben wie „Should I Stay Or Should I Go“ oder „Wonderwall“ hüpft die Halle auf Befehl des Unterhaltungschefs, der die Show dann mit „Millennium“ so passend ausklingen läßt, wie er sie begonnen hat. Nicht erst mit dieser Tour beweist Robbie Williams, daß es ein (ausgesprochen lässig-elegantes) Leben nach Take That gibt. Als das Licht wieder angeht, erinnert nur noch eines an die Altlast der Teeniepop-Tage: Die Eltern, die vor der Halle auf ihre Kiddies warten.