Konzertbericht

Robbie Williams live in Berlin: Ein bisschen angestaubt, aber noch genießbar


Wir haben unsere Autorin zum Konzert von Robbie Williams in Berlin geschickt, damit sie nach so vielen Jahren endlich ihre Kindheit bewältigen kann. Hier hat sie ihre Erkenntnisse aufgeschrieben.

Den ganzen Tag hatte es durchgeregnet und nach mehreren Stunden Wartezeit wünschte man sich eine Pause, um sich endlich aus den Regenponchos und improvisierten Mülltüten schälen zu können. War es doch eigentlich Sommer. Robbie Williams, damals noch so etwas wie ein riesengroßer Superstar, war im Begriff sein neues Album RUDEBOX auf den Markt zu bringen. Dass es da, im Jahr 2006, bereits abwärts ging, blendeten die Tausende von Zuschauern aus. Zunächst war Robbie Williams immer noch der Größte.

Sommer soll angeblich auch derzeit in Berlin herrschen. Davon ist aber nach fast zwei Tagen Dauerregen an diesem Abend des 26. Juli 2017 nichts zu merken. Stundenlanges Warten ist hier trotz ausverkaufter Veranstaltung eigentlich auch kein Thema mehr. Gerade noch rechtzeitig erreiche ich meinen Platz auf der Tribüne und wundere mich über das Durchhaltevermögen des ersten und letzten Robbie-Konzerts, das ich bis dahin jemals besucht hatte.

Damals, vor über einem Jahrzehnt, war es für Robbie und mich auch schon zu spät gewesen. Eigentlich war ich aus dem Alter rausgewachsen, in dem Robbie Williams noch den Mittelpunkt meiner musikalischen Welt darstellte. Ich hatte Bands für mich entdeckt, die „richtige“ Musik machten. Aber nachdem die Live-DVD aus Knebworth bleibenden Eindruck hinterlasse hatte, wollte ich mir das Spektakel doch mal live ansehen. Seitdem hat sich einiges verändert, das muss ich nun in Berlin feststellen. Robbie Williams zieht keine Menschenmassen mehr nach Knebworth, checkt nicht mehr regelmäßig in die Entzugsklinik ein, graue Haare zeichnen sich ab, der tätowierte Löwe auf dem Arm erblasst langsam, zuhause erwarten ihn eine Ehefrau und zwei Kinder, somit wird auch nicht mehr mit Damen aus dem Publikum geknutscht.

Zwischen Selbstironie und Schlagerparty

Ein weiteres Indiz dafür, dass die Jugend der Anwesenden irgendwo in den 90ern stattgefunden haben muss, ist die Begeisterung für einen Eminem-Song, der kurz vor Robbies Auftritt läuft. Es sind jetzt nicht mehr kreischende Mädels, die die ersten Reihen blockieren, sondern Mamas und Papas, die teilweise ihre Kinder mitgebracht haben. Seinen Hintern zeigt uns der Brite trotzdem, sobald er die Bühne betreten hat. Das wird sich wohl nie ändern.

Mit seinen 43 Jahren ist Robbie immer noch etwas exhibitionistisch veranlagt.
Mit seinen 43 Jahren ist Robbie immer noch exhibitionistisch veranlagt.

Dass das Konzert wie ein Theaterstück irgendwo zwischen altbackener Show und dem Entertainment, das er früher zu bieten hatte, aussehen wird, kann man bereits am Intro ablesen. Das besteht aus einer „national anthem“ für Robbie Williams höchstpersönlich, in der er sich als der Größte besingen lässt, die gleichzeitig aber auch ironisch seine Drogen- und Alkoholprobleme sowie seinen ausgebliebenen Durchbruch in den USA thematisiert. Eine Stimme, wie vor einem Boxkampf, begrüßt die Zuschauer zur HEAVY ENTERTAINMENT SHOW. So heißt auch Robbies 2016 erschienenes Album, dessen Titeltrack der neue Eröffnungssong ist und damit „Let Me Entertain You“ ablöst.

Und während man auf die altbekannten Hits wartet, sind es lauter Kleinigkeiten, die deutlich machen, dass Robbie nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit ist, und dem Konzert einen Hauch Schlagerparty verleiht. An einer Stelle singt sich Robbie durch sämtliche Hits der letzten Jahrzehnte und vor allem der 90er – das Publikum stimmt natürlich brav ein. Dann lädt er seinen Vater Peter auf die Bühne ein, erzählt eine rührende Geschichte und Papa darf auch mal mitsingen. Wie gesagt, mit den weiblichen Fans wild auf der Bühne zu knutschen ist nicht mehr im Programm, stattdessen muss die Auserwählte eine seltsame Maske aufsetzen, die aus einem schönen Song wie „Somethin‘ Stupid“ eine Lachnummer macht. Muss das denn sein, Robbie, frage ich mich, während um mich herum fröhlich geschunkelt wird.

Denn diese Momente hinterlassen einen bitteren Nachgeschmack, obwohl es zwischendurch doch besser wird. Robbie Williams kann es nämlich noch, das Entertainer-Dasein verlernt man wohl nicht so schnell. Er ist witzig, charmant und irgendwie erstaunlich nahbar. Er erzählt von seiner Tochter, die keine Lust hat ihren berühmten Vater im Fernsehen zu sehen und stimmt mit zitternder Stimme und Tränen in den Augen „Freedom“ an, um an seinen im Dezember vergangenen Jahres verstorbenen Freund und persönlichen Helden George Michael zu erinnern.

Geldmaschine Robbie?

Als er für eine kurze Pause von der Bühne geht, sucht er erschöpft Halt an einer Absperrung und verschwindet im Backstage-Bereich. Kurz darauf bedankt er sich für die Loyalität der deutschen Fans und erwähnt, dass er gesundheitlich angeschlagen sei. Aber da wir alle so nett waren zum Konzert zu erscheinen, ginge es ihm schon viel besser. Neben ein wenig Mitleid, schwingt hier aber auch mit, dass Robbie sich gar nicht so gerne einem Tourleben ergibt. Seine Werbeauftritte für Automobilfirmen und Modekollektion für mittelmäßig interessante Marken will man verdrängen, doch die Werbung für Kaffee vor und nach dem Konzert erinnert unangenehm daran, dass Robbie schlichtweg wieder Geld brauchen könnte.

Eines wird sich wohl nie ändern: Robbies fragwürdige Outfitwahl.
Eines wird sich wohl nie ändern: Robbies fragwürdige Outfitwahl.

Aber klar, seine charmante Masche funktioniert trotzdem wieder, auch bei mir, auch noch 15 Jahre später. Er beendet seine Show mit einem quasi unschlagbaren Trio – „Feel“, „She’s The One“ und, natürlich, „Angels“. Es ist bereits dunkel geworden, der Regen hat sich verzogen, die Handylichter schweben über den Köpfen und jede Textzeile sitzt im Publikum. Und da ist es fast wie früher, als Robbie am Bühnenrand sitzend die Fans seine Songs hat singen lassen und vor Rührung Tränen in den Augen hatte. Weil sich vor ihm ein erinnerungswürdiger Moment ausbreitete, und nicht weil die Millionen auf seinem Konto einliefen.

Auf dem Heimweg versucht sich eine ältere Dame den Weg durch die Menge in der S-Bahn zu bahnen. Wo kommt ihr denn alle her, wer hat denn da gespielt, möchte sie wissen. Robbie Williams! „Ach, das ist ja schön. Natürlich, den kenne ich auch“, sagt sie daraufhin. Und da frage mich, ein bisschen entsetzt, ob die „jungen Leute“ von heute diesen Mega-Popstar, der Robbie Williams mal war, eigentlich noch kennen. Oder ist Justin Bieber der neue Robbie?

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken

David Wolff - Patrick Redferns
David Wolff - Patrick Redferns