Robin Hood in Afrika
Boomtown Rats-Sänger Bob Geldof, Initiator der englischen „Band Aid“ und geistiger Vater aller nachfolgenden Afrika-Benefizplatten, hat seine musikalische Karriere zur Zeit auf Eis gelegt. Da „Band Aid“ die Spendengelder keinen Hilfsorganisationen überweist, sondern sich selbst um Kauf und Transport nach Äthiopien kümmert, ist sein Alltag derzeit von Telefonaten, Briefen und Besprechungen gekennzeichnet. Geldof: „Für mich als Musiker langweilig aber es muß getan werden.“
In Montreux, wo er nach dem „British Academy Award“ beim „Golden Rose Festival“ einen Sonderpreis für sein Afrika-Engagement bekam, zog er ermutigende Zwischenbilanz: Das Schiff „Band Aid 1“ ist derzeit mit Hilfsgütern im Wert von 30 Millionen engl. Pfund im Suez-Kanal Richtung Äthiopien unterwegs: „USA for Africa“ spielt weltweit bis zu einer Million US-Dollar täglich ein und hält bei einer Zwischensumme von 41 Mill. Dollar. „Bis Ende des Jahres“, so Geldof, „wird diese eine Idee eine halbe Milliarde Dollar für die Hungernden in Afrika eingespielt haben.“
Die Folge-Projekte, die im Schneeballsystem in vielen Ländern nachfolgten, hält Geldof für positiv. Bei „Tarn Tarn Pour l’Ethiopie“ (ua. King Sunny Ade) und „Starvation“ (ÜB 40, Madness, Special Aka) hat er selbst mitgeholfen, bei der Österreichischen Benefizplatte „Warum?“ von „Austria für Afrika“ (u.a. mit Ambras, Opus. Fendrich, Danzer, Bill) lobt er besonders die Idee, den Refrain in Afrikanischer Sprache zu singen; lediglich die Italiener (Nannini. Dalla u.a.) bereiteten ihm Kopfzerbrechen:“.Hätten sie statt der alten Schnulze Molare nicht ein anderes Lied nehmen können?“
Trotzdem: „All diese Platten sind wichtig. Schließlich sind heute Millionen Afrikaner am Leben, weil Millionen unsere Afrika-Platten gekauft haben. Das ist eine Tatsache.“ Und:“.Es ist einfach obszön, im Jahr 1985 100 Millionen Afrikaner verhungern zu lassen. Das Ganze hat aber nur dann einen Sinn, wenn diese Menschen mit einer bestimmten Überlegung am Leben erhalten werden. Und diese Überlegung muß heißen: Afrika als Kontinent muß wieder erblühen. Und das ist nicht mehr die Aufgabe der Popsänger, sondern der Politiker.“
Inzwischen plant Geldof schon den nächsten Schritt: Noch im Sommer soll das erste „globale Weltkonzert“ der internationalen Popszene steigen, das er schlicht „das größte Konzert in der Geschichte der Popmusik“ nennt. In London (Wembley) und New York (Madison Square Garden) soll gleichzeitig ein Riesen-Staraufgebot auf der Bühne stehen, jede halbe Stunde wird zwischen den Kontinenten umgeschaltet- das ganze live als 15-Stunden-TV-Spektakel über Satellit in die ganze Welt übertragen. Geschätzte Einnahmen allein an TV-Rechten: 100 Millionen Dollar. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, gefilmt wird es vom selben Team, das schon die Olympiade in L.A. telegen in unsere Wohnzimmer brachte. Verhandlungen mit den Sendeanstalten laufen und sind zugleich das einzig verbleibende Fragezeichen dieses Ereignisses-15 Stunden Sendezeit sind schließlich nicht leicht freizumachen.
Zusagen der Künstler sind das geringste Problem: Sting, Boy George, Springsteen, Lionel Richie, Michael Jackson. Tina Turner warten nur auf grünes Licht von Geldof.
Kritik, das Ganze diene mehr der Selbstdarstellung einzelner Künstler als den Afrikanern, kontert Geldof, der übrigens für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurde, überzeugend:
„Ich habe in Äthiopien das unfaßbare Elend mit eigenen Augen gesehen. Seither würde ich zynischen Journalisten am liebsten ins Gesicht spucken!“
„Kommende Generationen“, ist Geldof überzeugt, „werden sich fragen, wie konnten Menschen, die selbst in Überfluß leben mit Butterbergen und Weinseen, zulassen, daß 100 Millionen Afrikaner verhungern?“
Schließlich zieht er noch einen persönlichen Vergleich: „Wenn du auf der Straße einen Verkehrsunfall siehst, bei dem ein Schwerverletzter von einer gaffenden Menge umgeben ist, will ich nicht zu denen gehören, die tatenlos herumstehen, sondern ich will der sein, der zur Telefonzelle rennt und die Rettung anruft. Nichts anderes passiert in Afrika. Ein Kontinent liegt im Sterben und viele sehen tatenlos zu. Was wir mit unseren Benefizplatten machen, ist dabei nicht mehr, als zur Telefonzelle zu rennen und die Rettung zu rufen. Die einzige offene Frage ist dabei: Wo zum Teufel bleibt sie so lange?!“