Roger & Me: Der ganz normale Wahnsinn
Erst wollte es partout keiner haben, dann zahlte Warner Brothers drei Millionen Dollar für das Comeback des Dokumentarfilms.
Pet or meat“ steht auf dem handgemalten Schild an dem Haus an der Landstraße. Das Auto hält, der Interviewer steigt aus, Kamera läuft. Dann kommt eine junge Frau und erklärt, was mit dem Schild gemeint ist: Sie verkauft ihre Kaninchen sowohl als Haustiere wie auch für die Bratrohre. Denn wenn die Kaninchen älter werden, dann sind sie nichts mehr zum Spielen für die Kinder.
In Sachen Optimismus sind Amerikaner nicht zu schlagen. Da lassen sie sich von nichts irritieren. Nicht von Arbeitslosigkeit, nicht von Obdachlosigkeit. Die Bürger der Industriestadt Flint im US-Staat Michigan sind der beste Beweis. 30.000 Arbeiter hat General Motors entlassen, Fabriken zugesperrt und die Produktion ins billige Mexiko verlagert. Die Stadt bricht praktisch zusammen, dennoch heißt es: Klar schaffen wir es!
Der Zeitungsiournalist Michael Moore hatte 1987 die Idee, den Niedergang seiner Heimatstadt im Film festzuhalten. Moore verkaufte sein Haus, veranstaltete Bingo-Spiele {brachte 50.000 S) und holte sich Kevin Rafferty (von „Atomic Cafe“) als Chefkameramann. Dann drehte er drauf los und ließ die Menschen reden. Roter Faden durch den Film sind Moores vergebliche Versuche, General Motors-Vorstand Roger Smith vor die Kamera zu kriegen. Zwei Jahre sammelte Moore, dann sprach er einen bewußt naiven Kommentar drauf und hatte geschafft, woran keiner glauben wollte: ein Dokumentarfilm über ein an sich deprimierendes Thema, in dem die Leute brüllen vor Lachen. Es ist nicht nur „fast wie im richtigen Leben“, es ist der ganz normale Wahnsinn.
Warner Brothers, die das Projekt anfangs abgelehnt hatten, zahlten drei Millionen Dollar Verleih-Garantie, freuen sich über volle Häuser und reden schon vom Comeback des Dokumentarfilms.