S.C.U.M
Kluburlaub im Wiener Schneegestöber: Die Londoner S.C.U.M sind schon jetzt zu groß für kleine Bühnen wie die im B72.
Weder das angekündigte Schneegestöber noch das unangekündigte Konzert von Soap & Skin, das gleichzeitig im 300 Meter entfernten Club Rhiz stattfindet, konnten eine Handvoll kälteresistenter Konzertbesucher davon abhalten, sich unter den Wiener Gürtelbögen im B72 einzufinden. Immerhin steht das Österreich-Debüt der blutjungen Londoner Hipsterformation S.C.U.M (benannt nach dem kontroversen feministischen Manifest „Society For Cutting Up Men“) auf dem Programm. Als sich die fünfköpfige Band mit Axl-Rose-mäßiger Verspätung von zweieinhalb Stunden langsam den Weg zur kleinen Bühne bahnt, sieht manch ein Gast jedoch schon leicht entnervt auf die Uhr. Bei dem Sauwetter möchte man nur ungern die letzte U-Bahn verpassen.
S.C.U.M lassen ihr spätes Erscheinen unkommentiert und greifen mit gelangweilten, ja beinahe autistischen Gesichtern zu den Instrumenten. Kurz darauf föhnen Synthesizerklänge durchs Lokal. Ein mächtiger Sound. Zu mächtig für die Sound-Anlage. „Whitechapel“ ertrinkt hilflos im Hall. Im Zentrum der Bühne zuckt Sänger Thomas Cohen (a.k.a. der Verlobte von Peaches Geldof) entrückt zu dem Soundbrei, den seine Mitmusiker ihm kredenzen. In ein kimonoartiges Hemd gewandet, übt sich der Frontmann in theatralischen Gesten, die auf größeren Bühnen durchaus eindrucksvolle Wirkung entfalten können. Hier im kleinen B72 erinnert das Ganze eher an einen Talentwettbewerb im Kluburlaub.
Als Rückgrat der Band fungiert Drummerin Melissa Rigby, die unbeirrt und präzise auf ihr Schlagzeug eindrischt und damit einen der wenigen Anhaltspunkte in dem Klanginferno liefert. Immerhin, die Singles „Faith Unfolds“ und „Amber Hands“ sind zu erkennen und werden höflich beklatscht. Als S.C.U.M nach nur 45 Minuten die Bühne wieder verlassen, hört man allerdings nur ein paar halbherzige „One more song“-Rufe. Die letzte U-Bahn geht ja schließlich gleich.
Reiner Reitsamer