Sade
Falls der Satz stimmt, daß jeder Künstler das Publikum bekommt, das er verdient, dann adé Frau Adu. Im ausverkauften Deutschen Museum ging es nämlich nur am Rande um Musik. Für die Münchner Schickeria war es in erster Linie wohl ein Ereignis, eine willkommene Gelegenheit, sich selbst und die neueste Mode auszuführen.
Da fielen weder die 45 Minuten Verspätung ins Gewicht, noch die Tatsache, daß die Dame — bedingt wohl durch leichte Heiserkeit — an diesem Abend gar nicht singen konnte. Allein ihre Anwesenheit auf der Bühne wurde bejubelt wie die Wiederkehr des Erlösers.
Mit „Tell Me Why“ begann sie ihren Set. Eineinhalb Stunden wohltemperierte Langeweile wurden daraus, denn auf der Bühne sind Dame und Kapelle nur ein müder Abklatsch der Platten. Kühl und statisch singt sich Sade durch ihre beiden LPs.
Stimmung kam allenfalls zwischen den Band-Mitgliedern auf. Die warfen sich bedeutsame Blicke zu und grinsten wie College-Kids, die nur zufällig auf der Bühne stehen. Man amüsiert sich untereinander. Das zahlende Publikum bekommt von dem Spaß nichts mit. Im Gegenteil: Aufspringende, fotografierende oder gar tanzende Fans erschrecken Sade Adu. Mit großen, verwunderten Augen guckt sie dann von der Bühne.
Der Umfang ihrer Stimme ist mehr als bescheiden: zudem singt sie nervtötend häufig am Mikrofon vorbei. Eine reife Leistung für jemanden, der sich kaum bewegt.
Dem Publikum war’s egal; es wurde undifferenziert alles beklatscht, was die Dame tat. Zwei Höhepunkte der Begeisterung: Als sie ihr schwarzes Bolerojäckchen auszog und trotz der hochgeschlossenen weißen Bluse einen makellosen braunen Rücken entblößte — und fünf kleine Tanzschritte mit abschließender Pirouette.
Ich mag Sades Musik, aber sie gehört einfach nicht auf die Bühne, sondern in die Bar, wo sie sich mit dem Klingeln der Eiswürfel so wundervoll ergänzen kann.