Schuldig bei Spaß: Josef Winkler über politisch korrekte Sprache, Hitlergrüße und Dieter Thomas Heck
Mit etwas gutem Willen werden Sie Josef Winkler so verstehen, wie er sich das vorstellt. Seine Kolumne aus dem Musikexpress 11/2018.
Ja, das ist voll so 90er, aber seit die Rechten sich darauf eingeschossen haben, bin ich ein noch entschiedenerer Anhänger einer gewissen „politischen Korrektheit“ in Sprache und Wortwahl. (Herrjeh, ich habe einst sogar gegen die Benennung der ME-Plattenbewertungsrubrik „Krieg der Sterne“ gestimmt, weil ich das Wort „Krieg“ in dem poppigen Zusammenhang unangemessen fand; was u. Umst. leicht over the top war, dafür hab’ ich wirklich gar keinen Humor mehr dafür übrig, wenn Leute im 17. Jahr von Guantanamo und im 8. Jahr des Syrienkriegs noch immer nonchalant davon plappern/schreiben, diese oder jene Musik, wo sie grad den Beat nicht so „nice“ finden, sei „die reinste Folter“ resp. könnte/ sollte „zu Folterzwecken verwendet werden“.)
Aber in Zeiten, in denen einem ein wenig standardmäßiges Lästern über Ed Sheeran schon als hate speech ausgelegt werden kann und man als Medienmitarbeiter bei Berichten über Aufmärsche von Rechten nicht versäumen darf darauf hinzuweisen, dass da fei auch welche dabei waren, die KEINEN Hitlergruß gezeigt haben, sonst springt gleich der Verfassungsschutzpräsident aus der Kiste und macht eine „Klarstellung“, in solchen Zeiten muss man wohl noch genauer aufpassen, wie weit man sich aus welchem Fenster lehnt.
Wenn zum Beispiel in einer Call-in-Radiosendung über persönliche „Guilty pleasure“-Songs ein Anrufer erzählt, er komme ja „aus der Stoner-Rock-Ecke“, aber bei „Weather With You“ von Crowded House mache er immer das Radio lauter, weil das so tolle Harmonien und so eine tolle Melodie habe, sodass ich mir denke: „Mann, warum die Schuldgefühle? Wenn du glaubst, du kommst aus der Stoner-Rock-Ecke, aber merkst, dass du eigentlich Folkpopnummern gut findest, dann lass es zu! Vielleicht bist du gar kein Stoner-Rocker, sondern ein Folkpopfan, gefangen im Körper und in der Sozialisation eines Stoner-Rockers!“ – ist das dann vertretbar witzig oder eher eine ungebührlich blödelnde Anspielung auf Coming-out und Transsexualität? Eine solche läge mir nämlich ebenso fern wie anlässlich seines Todes ein paar selbstreferenzielle Gägs über Dieter Thomas Heck zu reißen.
So könnte man aber meinen letztmonatigen Text verstanden haben, und dessen Hergang möchte ich jetzt quasi in eigener Sache noch beleuchten: Aufgrund einer Drolligkeit in unserem Haushalt war mir diese Anekdote mit Dieter Thomas Heck wieder in den Sinn gekommen. Ich schrieb sie ohn’ Arg in die Kolumne hinein – fahrlässigerweise ohne mich routinemäßig darüber schlauzugoogeln, wie es Heck eigentlich grad so geht. Und kaum war der Text in Druck, kam die mich aus den Socken hauende Meldung, Dieter Thomas Heck sei im Alter von 80 Jahren gestorben. Ich habe seither jedes Wort dieses Textes mehrmals im Geiste umgedreht und rede mir ein, dass man ihn mit gutem Willen ggf. auch als Hommage verstehen könnte. Und wir politisch Korrekten wissen ja: Der gute Wille zählt. DTH RIP.