Shabazz Palaces


Vom Herzen geleitete, Klang gewordene Geheimnistuerei – Shabazz Palaces machen den HipHop von übermorgen. Auf in eine seltsame Zukunft, ohne Vergewaltigungsfantasien!

Wer welches Instrument spielt, wie wir uns kennengelernt haben – damit bringen wir unsere Musik den Leuten nicht näher“: Ishmael „Butterfly“ Butler hat mächtig Bock auf Musik, aber bestimmt keinen auf Interviews – und auf Fotos, auf denen er eindeutig zu identifizieren ist. Aber wer schon so lange wie er im Business ist, der darf sich diese Verweigerungshaltung gegenüber den Medien auch erlauben. Seit 1994, als er mit der mit Gold ausgezeichneten US-Top-15-Single „Rebirth Of Slick (Cool Like Dat)“ einen HipHop-Klassiker schuf und seine Crew Digable Planets damit für eine Saison aus dem Underground in den Mainstream brachte, musste Butler viele, für seinen Geschmack: zu viele Fragen beantworten. Bei seinem neuen Projekt Shabazz Palaces will nun er derjenige sein, der Fragen aufwirft. Ohne auch nur eine einzige davon beantworten zu müssen.

Zusammen mit Produzent Erik Blood und Perkussionist Tendai Maraire hat er aus Jazz-Samples, Echos, weltraumartigen Soundcollagen, verhackstückten Loops und seinem assoziativen Flow das sicherlich atypischste, weil mysteriöseste und vielleicht sogar beste HipHop-Album des Jahres aufgenommen. Die Songs verlaufen ungefähr so geradlinig wie das EKG eines Kammerflimmerpatienten. „Youlogy“ zum Beispiel baut sich aus einem Knarz-Intro heraus auf, folgt Butlers Unter-Wasser-Raps für 30 Sekunden, zerfällt in ein semiinstrumentales Beatgewirr und dropt die Hook („It’s me/ So me“) erst 20 Sekunden vor Songende. „Wir sind nicht die Typen, die Sachen rational angehen können. Der Prozess ist emotional, spontan, instinktiv. Der Weg, auf dem wir zum Endprodukt gelangen, ist jedes Mal anders“, sagt Butler gewohnt lakonisch, aber relativ aufschlussreich über das Songwriting seiner Band, deren Sound er folgendermaßen beschreibt: „100 Prozent Rap. Nichts als Rap. Aber auch alles andere.“

Die Unterschiede zwischen Shabazz Palaces und der anderen großen HipHop-Gruppe des Jahres, Odd Future Wolf Gang Kill Them All, könnten nicht substanzieller sein – aber das ist nur natürlich, sagt Butler: „Die Idee, dass Gruppen aus zwei völlig verschiedenen Generationen sich irgendwie ähnlich verhalten sollten, ist lächerlich. Ich liebe Odd Future und wie sie Dinge durchziehen – unterhaltsam, aber mit Inhalt.“ Sexbesessene Gewaltexzesse finden sich im Post-Dub-Funk-Slo-Mo-Wahnwitz von Shabazz Palaces aber nicht. Und das ist noch nicht mal das Beste an dieser Band.

CD im ME S. 17, Albumkritik S. 92

* Ishmael Butler traf vor ein paar Jahren auf einem Flug die Soul-Legende James Brown. „Er war sehr majestätisch. Eine wunderschöne Präsenz“, sagt Butler.

* Shabazz Palaces sind die erste HipHop-Band, die beim legendären Sub-Pop-Label unterschrieben. Früherer Sub-Pop-Manager Rich Jensen beschrieb ihr Konzert im „Neumos“ (Club in Seattle) im Januar 2010 als vergleichbar mit Nirvanas Live-Premiere von „…Teen Spirit“ im „OK Hotel“ 1991.

* 2009 veröffentlichten Shabazz Palaces eine Kurzfilm-Hommage an den US-Filmklassiker „Killer Of Sheep“, unterlegt mit ihrer eigenen Musik und mit einem Gastauftritt von „The Wire“-Star Ernest Wadell. Einfach bei YouTube „Belhaven Meridian“ eingeben.